Regina schafft es doch
Birgit kam gerade aus dem Urlaub zurück, das Mädel ist ein Segen für mich. Sie übernahm alle Routinearbeit, sie hat jetzt auch brennen gelernt – und ich habe Tag und Nacht an meiner Jungfrau’ gearbeitet. Birgit hat zwischendurch auch mal Modell gestanden. Du ahnst nicht, wie schnell ich diese Statue gemacht habe! So schnell, daß ich es nicht einmal zu gestehen wage. Und als ich den Abguß machte, da war ich so müde, daß ich fast nicht mehr die Augen aufhalten konnte. Ach, Regina – es ist ein wunderbares Gefühl, wenn man erfährt, daß man etwas kann!“
Regina nickte. Ihr Blick leuchtete. „Ich bin so unglaublich froh, daß du es getan hast, Katrin.“
„Ich auch. Und Mami platzt vor Stolz. Aber über etwas anderes freue ich mich auch noch, und das will ich dir jetzt erzählen. Denn jetzt erscheinst du auf der Bildfläche, mußt du wissen.“
„Ich?“
„Allerdings. Du – Fräulein Regina Frank. Ich habe nämlich eine Einladung für dich, und dreimal wehe, wenn du die nicht annimmst.“
„Warum sollte ich sie denn nicht annehmen?“
„Gut, also – halte dich fest. Ich lade dich hiermit ein, mit mir nach Wien zu fahren. Die Einladung erstreckt sich auf die Fahrt hin und zurück und einen Monat Aufenthalt. Du kannst dann länger bleiben, wenn du magst, mit Hilfe deines 'Fackelträger’-Geldes und des Inhalts deiner Sparbüchse, die du dir hoffentlich angeschafft hast. Einverstanden?“
„Ach Katrin – ich kann doch nicht…“
„Und ob du kannst! Verstehst du nicht, Regina, wenn wir unseren Kram zusammenwerfen, können wir beide fahren – und ich kann dir nur sagen, ich habe auch ein mächtiges Verlangen nach Tausing.“
„Aber Katrin – nur einen Monat?“
„Wer hat denn das behauptet? Ich habe nur gesagt, ich spendiere dir einen Monat Aufenthalt – mehr kann ich mir nicht leisten, denn ich selbst möchte ein halbes Jahr bleiben, und da hoffte ich, du könntest es einrichten, daß du die übrigen fünf Monate ebenfalls da unten leben könntest. Ich meine also, daß wir uns zusammen ein halbes Jahr durchbringen können. Denn du weißt ja, zwei Menschen leben billiger zusammen als jeder für sich. Wenn wir uns dann ein Zimmer mieten – billig und bescheiden, uns selber verköstigen, und dann bei Tausing Unterricht nehmen – und – und uns umsehen, Regina! Museen und Ausstellungen und Schlösser und – und kirchliche Kunst. Sag ja, Regina! Dann setzen wir uns morgen hin – ich habe nämlich die Absicht, bis morgen zu bleiben – und schreiben an Tausing. Sobald ich die Jungfrau’ in der richtigen Größe fertig habe und wenn du mit deiner Vertretung hier zu Ende bist, brechen wir auf. Wann ist das übrigens?“
„Mitte Dezember.“ .
„Großartig, Regina. Ich werde arbeiten wie ein Kuli und ich werde schon noch fertig werden und vorher noch das Mädelchen zum Bronzegießen gebracht haben. Und dann reisen wir los, Regina, und feiern zusammen Weihnachten in Wien – ja, wenn das nicht das großen Erlebnis unseres Lebens sein wird…“
Regina richtete ihre Augen auf Katrin. Sie waren dunkel und unergründlich, und es zuckte um ihren Mund.
„Katrin – du bist einzigartig! Ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hätte.“
Da lachte Katrin wie befreit.
„Na, siehst du – das ist wohl auch der Grund, weshalb der liebe Gott dafür gesorgt hat, daß wir uns begegnet sind. Jetzt bin ich aber hungrig, Regina. Wenn du nur Butter und Brot und Tee im Hause hast, ich habe alles übrige im Koffer. Mit einem Gruß von Mami.“
Regina war am nächsten Morgen zeitig wach. Sie schlich sich ganz leise in die Küche, um das Frühstückstablett für Katrin fertig zu machen.
Katrin lächelte vor sich hin. Sie war wach, aber sie gab keinen Ton von sich. Sie wußte ganz genau, was Regina vorhatte, und wollte ihr die Freude nicht zerstören. Sie blieb im Halbdunkel liegen und überlegte.
Sollte sie Regina erzählen, daß Gert angefragt hatte, ob sie krank sei? War es nicht besser, ihn gar nicht zu erwähnen? Regina hatte ja kein Wort über ihn gesagt.
Nein. Sie sollte lieber in Ruhe über die Geschichte hinwegkommen.
Es war ein entsetzlicher Schlag für sie gewesen. Ausgerechnet dieses ehrliche Menschenkind hatte erleben müssen, daß ihre erste wirkliche Liebe durch eine Lüge enden sollte.
Da klappte die Tür, Katrin setzte sich im Bett hoch und zeigte sich gerührt und völlig überrascht, daß ihr Kaffee ans Bett gebracht wurde!
Und Regina setzte sich auf den Bettrand mit
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