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Regina schafft es doch

Regina schafft es doch

Titel: Regina schafft es doch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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lächelte.
    Das dicke, freundliche Fräulein Schwand war für die Fabrik wie eine Mutter. Regina setzte sich in ihre gewohnte Ecke und begann zu essen. Ach, wieviel besser schmeckte doch das Essen, wenn man nicht selber zu kochen brauchte.
    Dann faltete sie die Zeitung auseinander, überflog die erste Seite; blätterte weiter zu den Stadtnachrichten. Sie kaufte die Zeitung von zu Hause zweimal wöchentlich.
    Mit einem Male gab es ihr förmlich einen Schlag: „Die Entscheidung im Wettbewerb für einen Trinkbrunnen im Stadtpark ist gefallen.
    Den ersten Preis erhielt eine Künstlerin unserer Stadt, die Bildhauerin Katrin Rhode.
    Das Urteil der Jury war einstimmig.“
    Katrin! Katrin!
    Katrin hatte den ersten Preis bekommen. Katrin hatte sie überflügelt. Katrin mit ihren Sternzeichen und kunterbunten Blumen, Katrin mit dem vergnügten Lächeln und ihrer nüchternen Selbsterkenntnis, Katrin mit ihrem „Kitsch“.
    Regina las und las und merkte gar nicht, wie eine Kaffeetasse vor sie auf den Tisch gestellt wurde.
    Der zweite und dritte Preis war an auswärtige Teilnehmer gegangen. Und nun – da sah sie ihren eigenen Namen in gesperrter Schrift.
    „Außerdem verdient Regina Franks ‚Bübchen’ rühmend hervorgehoben zu werden. Fräulein Frank dürfte durch ihren sehr gelungenen ,Fackelträger’ über dem Eingangsportal der neuen Volksschule bekannt sein. Wenn sie nicht in die Reihe der Preisträger aufgerückt ist, so liegt es daran, daß ihre an und für sich gute Arbeit die Schwierigkeit außer acht ließ, die Katrin Rhode zur Vollkommenheit gelöst hat: Eine natürliche Verbindung zwischen der Plastik und deren Aufgabe als Trinkbrunnen herzustellen.
    Katrin Rhodes ‚Jungfrau’, die oben im Bild wiedergegeben ist, bezeichnen die Mitglieder der Jury als ein feines, gediegenes und empfundenes Kunstwerk, das von großer technischer Sicherheit und einer erstaunlichen Reife zeugt. Die Statue stellt ein zartes junges Mädchen dar, fast noch ein Kind, das mildtätig seine Hände dem Durstenden darreicht. Die Brunnenanlage wird so eingebaut, daß das Wasser in die hohlen Hände des Mädchens sprudelt. Es ist der Künstlerin gelungen, der Figur die junge, scheue Anmut zu verleihen, die noch nicht ganz die Unbeholfenheit des Kindes überwunden hat. Die vorgestreckten Hände verraten zärtliche Milde…“
    Regina ließ die Zeitung sinken.
    Katrin. Die liebe, gute Katrin. Die tüchtige, tapfere Katrin, die ihre ganze Kunst geopfert hatte, damit „Mami“ es gut haben sollte.
    Wie hatte Katrin dies verdient!
    Dennoch war Regina enttäuscht. Am allermeisten brannten die Worte des Berichterstatters in ihr, daß ihre an und für sich sehr hübsche Arbeit die Schwierigkeit außer acht ließ, die Katrin Rhode zur Vollkommenheit löste.
    Gab es denn niemanden, der verstand, was sie mit ihrer Kunst wollte? Waren denn die Menschen alle so blind, daß sie meinten, die Kunst müsse unbedingt eine Aufgabe erfüllen? Glaubten die denn, die Venus von Milo habe Salz und Pfeffer in ihren Händen gehabt, ehe sie ihre Arme verlor? Meinten sie, man könne eine Miniatur aus der Laokoongruppe machen und sie als Briefbeschwerer verwenden? Mußte man Rodins „Penseur“ und Sindings „Sklave“ Rücken gegen Rücken als Buchstützen aufstellen?
    Hatte die Gegenwart denn keinen Raum für reine Kunst, sondern nur für „Bauplastiken“? Und nun sprach die Jury sogar von einem Versagen bei ihrer Arbeit, weil die Verbindung zwischen Kunstwerk und Zweck fehlte.
    Regina fühlte sich so seltsam zwiespältig, auf der einen Seite tief enttäuscht und brennend verletzt in ihrem künstlerischen Ehrgeiz. Und auf der anderen Seite war sie von Herzen froh wegen Katrin.
    Sie nahm von neuem die Zeitung zur Hand. Dort stand ein kurzes Interview mit Katrin.
    „‚Natürlich freue ich mich sehr’, sagte Katrin Rhode lächelnd, als wir sie in ihrer Keramikwerkstatt aufsuchen. ,Ich selbst fand es frech, daß ich überhaupt teilnahm, und wenn ich es trotzdem tat, dann geschah es nur, weil meine gute Freundin Regina Frank mir den Glauben an diese kleine Jungfrau beibrachte. Ich hatte diese Figur ursprünglich in Keramik gemacht, als Sternzeichen der Jungfrau, Sie wissen – und Regina schalt mich aus, weil ich nie etwas anderes machte als diese Kleinigkeiten in Keramik. Ich hoffte ganz, ganz von ferne, daß ich vielleicht den dritten Preis bekäme, aber nie habe ich es mir träumen lassen, daß ich den ersten kriegen würde…’“
    Die anständige Katrin!

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