Reich durch Hartz IV
Austausch von Argumenten gelegen ist. Ich freue mich aber auch, wenn es von manchen Schreibern heißt: »Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Mut« oder »Ich bewundere, dass Sie sich getraut haben, so offen diese Probleme anzusprechen.« Gleichzeitig finde ich das erschreckend, denn warum braucht es Mut, um öffentlich über einen offenkundigen gesellschaftlichen Missstand zu sprechen? Warum darf man eigentlich nicht fragen, wieso seit 2005, also seit sieben Jahren, 1,1 Millionen Menschen dauerhaft Hartz IV beziehen? Kann das ein Tabu sein? Dass das offenkundig der Fall ist, zeigt eine Auswahl an Zuschriften, die ich nach der Ausstrahlung meines Dokumentarfilms und nach diversen Auftritten in Talkshows bekam.
Es gibt ein Kartell des Gutmenschentums, das nicht bereit ist, über unterschiedliche Erfahrungen zu diskutieren. Dieses Sozialkartell spricht Menschen ab, sagen zu dürfen, was sie denken, und über ihre Erfahrungen zu reden. Die Macht der political correctness, öffentliches Mobbing durch Blogger und einen Teil der Medien kauft vielen Menschen den Schneid ab. Wie oft habe ich gehört, man habe ähnliche Erfahrungen gemacht, dasselbe erlebt, aber offen solche Missstände benennen, über Erfahrungen diskutieren, dürfe man besser nicht. Viele resignieren. Deshalb sollen hier die Reaktionen der Zuschauer auf meinen Dokumentarfilm und meinen Auftritt in der Talkshow von Anne Will veröffentlicht werden. Es gab eine große Anzahl von Rückmeldungen und Kommentaren zu diesem Thema. Sachliche, aber auch sehr unsachliche. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang zu zeigen, dass die Statements der Zuschauer sehr viel über das gesellschaftliche Klima in unserem Land aussagen, über die Art, mit der die Diskussion geführt wird. Ich möchte die Reaktionen den Lesern nicht vorenthalten und ihnen Gelegenheit bieten, sich einen Eindruck davon zu machen.
Im Folgenden habe ich eine Auswahl verschiedenster Reaktionen zusammengestellt. Unverfälscht, es sind alles Originaltöne. Dabei habe ich darauf geachtet, dass diese Auswahl auch repräsentativ für die Gesamtheit der Mails ist, denn nicht alle können hier vollständig wiedergegeben werden. Jedenfalls kann man uneingeschränkt sagen, dass das Thema polarisiert. Die Dokumentation Die Hartz-Maschine – Geschäfte mit der Arbeitslosigkeit wie auch der Auftritt in der Talkshow Anne Will mit dem Titel »Aufschwung für alle – höhere Löhne, mehr Hartz IV?« rütteln auf und lassen die Wogen höherschlagen. Eine Überprüfung aller Zusendungen hat ergeben, dass die Gewichtung von positiven und negativen Rückmeldungen sehr ausgeglichen ist. Auch eine interessante Erkenntnis.
Es stellt sich auch die Frage, wer reagierte. Die heftigsten Rückmeldungen kamen von den ALG-II-Empfängern selbst. Eine Fülle von Gegenstimmen ist sehr emotional formuliert und reicht bis zu persönlichen Beschimpfungen. Die Zustimmungen und andere positive, bestärkende Kommentare kamen von verschiedensten Absendern: Es meldeten sich sowohl Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Unternehmer, Rentner und Angestellte als auch arbeitslose ALG-II-Empfänger und Arbeitslose, die keine Stütze erhalten. Sogar Mitarbeiter von Jobcentern haben geschrieben, die bestätigend von ihren Erfahrungen berichten. Keine Gesellschaftsschicht fehlte bei denen, die sich zustimmend äußerten, und das ist eine wichtige Bestätigung für meine Recherchearbeit. Denn kein Bürger sollte vergessen, sich immer wieder wie John F. Kennedy zu fragen: »Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern frage, was du für dein Land tun kannst.«
Zuschriften nach der Talkshow Anne Will mit dem Titel »Hungern muss hier keiner – ein Land redet sich arm«
Zu Gast waren: Hubertus Heil (SPD), Generalsekretär Guido Westerwelle (FDP), Partei- und Fraktionsvorsitzender Heiner Geißler (CDU), ehemaliger Generalsekretär und Bundesminister a.D. Christoph Butterwegge, Armutsforscher, Rita Knobel-Ulrich, Autorin und Filmemacherin, Tanja Heinrich, alleinerziehende Mutter aus Berlin, kommt mit drei Jobs nur knapp über die Runden.
Reaktionen:
»Ihre Ausführungen bei A. Will sind willkürlich und Menschenverachtend gewesen.«
»Ihr Auftritt am 25.05.08 bei Anne Will war eine absolute Farce und ein Schlag ins Gesicht.«
»Mit großer Empörung musste ich Ihren letzten Auftritt bei Anne Will über mich ergehen lassen – vor allem Ihren tendenziösen Einspieler über angebliche Faulenzer und Sozialschmarotzer mit Hartz-IV-Hintergrund. Ich
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