Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
mitleidiges Gesicht auf. »Ich habe so lange damit gewartet, wie ich es mit meinen Nerven vereinbaren konnte, betete anfänglich, dass Ihr bald zurückkommt. Als ich nach zwei Tagen noch immer keine Nachricht von Euch hatte, entschied ich, Eure Mutter von Eurem Verschwinden in Kenntnis zu setzen. Seltsam ist nur, dass der Bote, den John Keets entsandt hat, noch immer nicht zurück ist. Aber ich bin mir sicher, dass er seinen Auftrag erledigt hat. Ich hatte fest damit gerechnet, dass Lilly spätestens gestern Abend hier eintrifft. Welches wohl der Grund für ihre Verspätung ist? Sie müsste jeden Augenblick hier sein. «
Rebecca stieß einen tiefen Seufzer aus. Im Grunde musste sie dankbar sein, dass ihre Mutter sich nicht so lange Sorgen machte, wie sie angenommen hatte. Jetzt beschäftigte sie jedoch die Frage, warum sie noch nicht hier war. Was sollte sie tun? Im Palast bleiben und auf sie warten oder ihr entgegenfahren? Was aber, wenn sie einander verpassten? Immerhin war es bereits dunkel. Und außerdem verfügte sie nicht über eine eigene Kutsche, hätte sich ein Gefährt leihen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, einen Kutscher zu finden, der sie mitten in der Nacht nach Norford brachte, war verschwindend gering.
»Ich fürchte, mir bleibt nichts anderes übrig, als noch eine Nacht hier zu schlafen«, bemerkte Rebecca. »Du kannst in der Zwischenzeit dafür sorgen, dass man mir meine Truhen bringt. Ich helfe dir dann auch, sie zu packen, damit du noch genügend Zeit hast, zu deinem Zimmer zurückzufahren, um deine Habseligkeiten zu packen. «
»Ihr wollt abreisen? «
»Ja, bei Sonnenaufgang. Am liebsten würde ich auf der Stelle losfahren. «
»John ließe sich vermutlich breitschlagen, eine Kutsche zu organisieren. Wenn Ihr lieber gleich losfahren wollt, sollten wir keine Zeit verlieren. «
»Aber was, wenn Mama eintrifft, wenn wir nicht mehr dort sind? «
»John wird sich bestimmt um sie kümmern und ihr sagen, dass Ihr wohlauf seid«, meinte Flora. »Das wird ihre Hauptsorge sein. Sie muss Euch nicht gesehen haben, um zu wissen, dass es Euch gut geht. «
»Armer Mister Keets! Wir haben seine Hilfsbereitschaft reichlich strapaziert. Ich werde mir etwas einfallen lassen müssen, um mich bei ihm erkenntlich zu zeigen. «
»Das braucht Ihr nicht«, entgegnete Flora und errötete.
»Oh! «, entwich es Rebecca, die wusste, was die Magd ihr sagen wollte. Jetzt, wo sie selbst in Ungnade gefallen war, machte es ihr ein wenig zu schaffen, dass Flora einen Liebhaber nach dem anderen hatte. »Nun denn, ich hoffe, du wirst ihn nicht allzu sehr vermissen, wenn wir wieder zu Hause sind. «
Flora feixte. »Er hat mir versprochen, mich zu besuchen -in regelmäßigen Abständen. «
»Dann werden wir jemanden aus Norford entsenden, der sich um meine Kleider kümmert - vorausgesetzt, John Keets gelingt es, eine Kutsche für uns zu finden. Ich werde allerdings nicht umhinkommen, Lady Sarah zu erklären, wo ich die letzten Tage gesteckt habe und dass ich meine Stellung als Hofdame unverzüglich aufzugeben gedenke. Am besten, ich bringe es schnell hinter mich. «
»Ihr wollt ihr allen Ernstes reinen Wein einschenken? «, fragte Flora konsterniert.
»Wo denkst du hin? Außer dir weiß niemand etwas. Ich habe mir schon etwas zurechtgelegt, das ich Sarah auftischen werde. Ich werde vorgeben, mit den Ränkespielen am Hofe nicht klarzukommen und deshalb die letzten vier Tage zu Hause verbracht zu haben, um meine Mutter davon zu überzeugen, dass es das Beste ist, wenn ich dem Palast den Rücken kehre. «
»Du willst was? «, ertönte Lillys Stimme von der Tür her.
Kapitel 35
Lilly sah wundervoll aus, wie immer in den Wintermonaten, wenn ihre Wangen von den täglichen Ausritten in gesundem Rose erstrahlten. Rebecca, ihres Zeichens ebenfalls eine begnadete Amazone, hatte das Reiten von ihrer Mutter gelernt. Bis zu Rebeccas Auszug waren die beiden täglich vor Unterrichtsbeginn gemeinsam ausgeritten. Hier in London vermisste Rebecca die frühmorgendlichen Ausflüge in die Natur - genau wie sie ihre Mutter vermisste, die sie nun seit fast zwei Monaten nicht mehr gesehen hatte.
»Sag jetzt bitte nicht, dass ich die Stadtvilla umsonst erworben habe! «, seufzte Lilly, trat ein und schloss Rebecca in ihre Arme. »Wie dem auch sei, mit der Wintersaison vor der Tür werden wir schon eine Verwendung dafür finden. Wie geht es dir, mein Liebling? Du siehst ein wenig blass aus. Du bist doch nicht krank, oder? Wolltest du deshalb
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