Reif für die Insel
wurden und sich dann in glühende Schmetterlinge, Feen und andere zauberhafte Erscheinungen verwandelten. Genau weiß ich das aber nicht, weil ich nie in den Genuß dieses Spektakels gekommen bin. Wegen fehlender Mittel und der unvernünftigen Neigung Jugendlicher, sie sich zum Zwecke des Amüsements gegenseitig auf die Füße zu werfen, wurden die Apparaturen bald abgebaut.
Ich schlenderte durch die (Lower!) Pleasure Gardens und weiter zum Fremdenverkehrsbüro auf der Westover Road, um in Erfahrung zu bringen, was sonst noch Unterhaltsames geboten wurde, konnte es aber nicht herausfinden, weil man jetzt für jedes Teil bedruckter Information, das nicht an die Wand genagelt war, bezahlen mußte. Ich quittierte es mit einem herzlichen Lachen.
Auf den ersten Blick sah das Stadtzentrum weitgehend unverändert aus, aber der Fortschritt und die Stadtverwaltung waren doch überall am Werke gewesen. Die Christchurch Road, die Hauptdurchgangsstraße, war fast ganz zur Fußgängerzone umfunktioniert und mit einem Glas-Stahlrohr-Gebäude dekoriert worden, das wie ein Buswartehaus für Riesen aussah. Es gab nun einen McDonald’s, einen Waterstone’s und einen Dillon’s sowie ein, zwei weitere Lokalitäten, für die ich persönlich indes kein Bedürfnis hatte. Ansonsten fehlten einige Dinge. Das Kaufhaus Beale’s hatte seine exzellente Buchabteilung geschlossen, Dingle’s sich in einer Kurzschlußhandlung seiner Lebensmittelabteilung entledigt, und Bealeson’s, ein weiteres Kaufhaus, war sogar ganz und gar verschwunden. Desgleichen eine vornehme kleine Bäckerei und mit ihr leider, leider, die besten ungefüllten Doughnuts der Welt. Positiv zu vermelden war das Fehlen jedweden Abfalls – die Christchurch Road war zu meiner Zeit eine Müllkippe gewesen.
Nicht weit von der kleinen, verschwundenen Bäckerei auf dem Richmond Hill befand sich der grandiose, jugendstilige Bau des Bournemouth Evening Echo, in dem ich zwei Jahre lang als Redakteur in einem Zimmer gearbeitet hatte, das einem Dickens-Roman hätte entsprungen sein können – allenthalben Papierstapel, düstere Beleuchtung, zwei Reihen gebeugter Gestalten an Schreibtischen und das Ganze in unheilvolles, ermüdendes Schweigen getaucht. Man hörte nur das nervöse Kratzen von Bleistiften und ein leises, aber hallendes tank der großen Uhr, jedesmal, wenn der Minutenzeiger einen Strich vorrückte. Als ich nun über die Straße auf meine alten Bürofenster blickte, schauderte mir doch ein wenig.
Nach unserer Hochzeit waren meine Frau und ich für zwei Jahre zurück in die Staaten gegangen, damit ich mein Studium beenden konnte. Mein Job beim Echo war also nicht nur mein erster richtiger Job in Großbritannien, sondern auch mein erster richtiger Erwachsenenjob, doch während der gesamten zwei Jahre, die ich dort arbeitete, fühlte ich mich wie ein Vierzehnjähriger, der den Erwachsenen mimt; sicher, weil alle meine Kollegen alt genug waren, um mein Vater zu sein. Außer einem Paar halbtoter Gestalten am anderen Ende. Die waren alt genug, um deren Väter zu sein.
Ich saß neben zwei freundlichen, gebildeten Herren namens Jack Straight und Austin Brooks, die mir zwei Jahre lang geduldig erklärten, was »rechtshängig« bedeutet und daß die englische Gesetzgebung unterscheidet, ob man »unbefugt von einem Auto Gebrauch macht« oder »ein Auto stiehlt«. Zu meiner eigenen Sicherheit wurde mir meist die Aufgabe übertragen, die Berichte über die Townswomen’s Guild und das Women’s Institute zu redigieren. Davon bekamen wir täglich Stöße, alle im selben schwülstigen Stil verfaßt und desselben tödlich langweiligen Inhalts: »Mr. Arthur Smoat aus Pokesdown gab eine überaus faszinierende Demonstration in der Kunst, Schattentiere an die Wand zu werfen«, »Mrs. Evelyn Stubbs beehrte die versammelten Gäste mit einem überaus faszinierenden, amüsanten Vortrag über ihre kürzlich erfolgte Gebärmutterentfernung«, »Mrs. Throop konnte den geplanten Vortrag über Hundehaltung leider nicht halten, weil sie tragischerweise kürzlich von ihrer Dogge Prince übel zugerichtet wurde, aber Mrs. Smethwick sprang bereitwillig mit einer urkomischen Schilderung ihrer Erfahrungen als freiberufliche Beerdigungsorganistin in die Bresche«. Seite um Seite leierten sie Danksagungen herunter, Spendenaufrufe, langatmige Berichte über erfolgreiche Basare und Kaffeefrühstücke mit detaillierten Aufzählungen, wer welche Erfrischung beigesteuert und wie lecker alles geschmeckt
Weitere Kostenlose Bücher