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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Ufer des Flusses Stour einem großen Parkplatz geopfert worden. Das Ding hieß nun Brewers Fayre und gehörte der Whitbread-Brauerei. Es war grauenhaft, aber zweifellos beliebt. Nieder-schmetternd! Nur Boscombe schien sich ein wenig erholt zu haben. Damals war seine Hauptstraße so häßlich gewesen, daß es einem geradezu den Atem verschlug. Überall lag Müll; schäbige Läden und abstoßende Supermärkte und Kaufhäuser waren in viktorianische Fassaden gepreßt. Nun war die Straße teilweise zu einer hübschen Fußgängerzone umgemodelt, die Royal Arcade stilvoll und sorgfältig renoviert worden, und es gab eine Menge Antiquitätenläden, die erheblich interessanter zum Anschauen waren als das vorherige Sammelsurium an Bräunungstudios und Bettenzentren. Am Ende versprach ein Geschäft namens Boscombe Antique Market auf einem großen Schild im Fenster »Wir kaufen alles!«. Da ich das Angebot so ungewöhnlich generös fand, ging ich hinein, spuckte auf die Theke und brüllte: »Und, was krieg ich dafür?« Das habe ich natürlich nicht getan – das Ding war geschlossen –, aber ich hätte Lust dazu gehabt.
    Die Strecke von Highcliffe nach Bournemouth zog sich hin, insgesamt zehn Meilen oder so, und als ich den East Overcliff Drive und das letzte Stück zur Stadt endlich erreichte, hatte meine Happy Hour längst geschlagen. Ich blieb stehen und lehnte mich an ein weißes Geländer, um mich an der Aussicht zu laben. Der Wind hatte sich gelegt und Poole Bay, wie das Meer bei Bournemouth heißt, schlug mich in dem blassen Abendlicht in seinen Bann: Von der Isle of Wight bis zu den blaßpurpurfarbenen Purbeck Hills erstreckte sich ein langer, majestätischer Bogen mit wildzerklüfteten Klippen und breiten goldenen Stranden. Vor mir glitzerten die Lichter von Bournemouth und Poole einladend in der beginnenden Dämmerung. Weit unten glänzten fröhlich die beiden Piers der Stadt, und draußen auf dem Meer hüpften die Lichter vorbeiziehender Schiffe und funkelten durch das dämmrige Licht. Die Welt oder zumindest diese kleine Ecke schien ein guter, friedlicher Ort zu sein, und ich freute mich riesig, daß ich dort war.
    Während der ganzen Reise sollte ich bei dem Gedanken, daß ich dieses gemütliche, heimelige kleine Eiland verlassen würde, Augenblicke stiller Panik erleben. Es war wirklich eine melancholische Angelegenheit – ein bißchen, als wanderte man zum allerletztenmal durch ein vielgeliebtes Zuhause. Denn Tatsache war, ich war gern hier. Sehr sogar. Es bedurfte nur einer freundlichen Geste eines Ladenbesitzers oder eines Platzes am Kamin in einem Landgasthaus oder einer Aussicht wie dieser hier, da fing ich an zu überlegen, ob ich nicht einen großen, zutiefst törichten Fehler beging.
    Und wenn Sie an dem milden Abend oben auf den Klippen in Bournemouth spazierengegangen wären, hätten Sie vielleicht einen nicht mehr ganz blutjungen Amerikaner gesehen, der völlig selbstvergessen vorbei-gegangen wäre und wie eine Mantra vor sich hingeleiert hätte: »Denk an Cecil Parkinsons Haare. Denk an die Mehrwertsteuer von 17,5 Prozent. Denk daran, daß du samstags dein Auto bis zum Überquellen mit Abfall belädst, zur Müllkippe fährst und dort feststellst, daß sie geschlossen ist. Denk daran, daß es verboten ist, den Garten zu sprengen und das Auto zu waschen, obwohl es gerade zehn Monate geregnet hat. Denk an …«
     

Siebtes Kapitel
     
    Mit einem roten Doppeldeckerbus fuhr ich nach Salisbury und genoß es richtig, wie er über kurvenreiche Landstraßen schwankte und gegen überhängende Zweige klatschte. Ich mag Salisbury sehr. Es hat für eine Stadt genau die richtige Größe – groß genug für Kinos und Buchläden, aber so klein und freundlich, daß man gern dort wohnen würde.
    Ich lief über den Marktplatz, auf dem reges Treiben herrschte, und versuchte mir vorzustellen, was den Briten bei diesem Anblick wohl durch den Kopf geht. Die hochkant gestellten Kisten, die zertretenen Salatblätter und schmuddeligen, zusammengeklammerten Planen sehen immer so deprimierend ramschig aus. Auf französischen Märkten sucht man sich aus wunderbar arrangierten Weidenkörben mit glänzenden Oliven und Kirschen und kleinen Scheiben Ziegenkäse was aus, in Großbritannien kauft man Geschirrtücher und Bügelbrettbezüge aus Plastikbierkästen. Auf britischen Märkten werde ich unweigerlich immer trübsinnig und mäkelig.
    Als ich dann durch die belebten Einkaufsstraßen ging, sprangen mir auch dort die

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