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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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der Freude und des Stolzes stiegen mir in die Augen, und ich konnte mich nur knapp davon abhalten, auf meinen Stuhl zu klettern und zu schreien: »Meine Damen und Herren, das ist mein Land!«
    Und dann war es zu Ende, und wir schlurften in die nieselige, dämmrige Ödnis Bradfords, was schon ein ziemlicher Schock war, glauben Sie mir. Ich stand an der Bronzestatue von J. B. Priestley (der mit seinen fliegenden Frackschößen aussieht, als habe er starke Blähungen), starrte die traurige hoffnungslose Stadt vor mir an und dachte: Ja, ich bin soweit, ich gehe nach Hause.
    Aber zuerst, dachte ich sofort danach, eß ich ein Curry.
     

Siebzehntes Kapitel
     
    Bei meiner Aufzählung der Herrlichkeiten Bradfords habe ich die Curry-Houses vergessen. Peinlich, peinlich. Denn wenn Bradford auch den Wollhandel verloren hat, so hat es doch Tausende hervorragender indischer Restaurants gewonnen, was ich persönlich einen durchaus akzeptablen Tausch finde, da ich einen streng begrenzten Bedarf an Stoffballen habe, aber soviel indisches Essen verdrücken kann, wie man mir vorzusetzen beliebt.
    Das meines Wissens älteste und sicher eins der besten und billigsten Curryhäuser in Bradford ist das Kashmir, nur ein paar Schritte vom Alhambra entfernt. Im ersten Stock ist ein richtiges Restaurant mit weißen Tischtüchern, blitzendem Besteck und aufmerksamen, hilfsbereiten Kellnern. Wahre Kenner indes steigen ins Untergeschoß, wo man mit Wildfremden an langen Resopaltischen ißt. Da sitzt der harte Kern, der schert sich nicht um Besteck. Man schaufelt das Essen mit großen Nan-Brotbrocken und schmierigen Fingern in sich hinein. Für drei Pfund verzehrte ich ein köstliches, üppiges kleines Festmahl, das so scharf war, daß meine Zahnfüllungen anfingen zu moussieren.
    Voll bis zum Anschlag, rundum befriedigt und mit einem Magen, in dem es blubberte wie in einem Reagenzglas, trat ich in den Bradforder Samstagabend und überlegte, was ich mit mir anfangen sollte. Es war erst kurz nach sechs, aber überall tote Hose.
    Mir wurde unangenehm und eindringlich bewußt, daß mein trautes Heim und meine liebe Familie nur über der nächsten Bergkette waren. Aus irgendeinem Grunde empfand ich es als Verrat, nach erst der Hälfte der Reise nach Hause zu fahren, aber dann dachte ich: Was soll’s, mir ist kalt, ich bin einsam, und ich schlafe doch zwanzig Meilen von meinem eigenen Zuhause entfernt nicht in einem Hotel. Ich lief also zum Bahnhof Forster Square, nahm einen ratternden, leeren Zug nach Skipton, ein Taxi zu dem kleinen Dorf in den Dales, wo ich wohne, und ließ mich dann unten an der Straße absetzen, damit ich meinem Hause auf Schusters Rappen entgegeneilen konnte.
    Was für eine Freude, in der Dunkelheit an einem gemütlichen Haus anzukommen, dessen Fenster einen mit hellem Schein willkommen heißen, und zu wissen: Das ist deins, und da drin, das ist deine Familie! Ich ging die Einfahrt hinauf, lugte durchs Küchenfenster, und da waren sie alle um den Küchentisch versammelt und spielten Monopoly, die herzigen kleinen Unschuldslämmer. Erfüllt von glühender Zuneigung und Entzücken, starrte ich sie eine Ewigkeit lang an und fühlte mich wie Jimmy Stewart in Ist das Leben nicht schön?, als er zusieht, wie alles ohne ihn verläuft. Und dann ging ich hinein.
    Was folgte, kann ich nicht beschreiben, ohne daß es wie eine Episode aus den Waltons klingt. Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit also von dieser lebhaften, herzerwärmenden Familienzusammenführung ab und erzähle Ihnen eine wahre, wenn auch irrelevante Geschichte.
     
    In den frühen Achtzigern schrieb ich in meiner Freizeit eine Menge auf Honorarbasis, hauptsächlich für Magazine von Fluggesellschaften. Und da hatte ich die Idee zu einem Artikel über bemerkenswerte Zufälle. Ich fragte bei einer dieser Gazetten an, ob sie interessiert seien, und wahrhaftig, sie waren es und versprachen bei Publikation den stolzen Betrag von 500 Dollar – eine Summe, die ich gut gebrauchen konnte. Doch als ich anfing zu schreiben, stellte sich heraus, daß ich zwar jede Menge
    Informationen über wissenschaftliche Studien zur Wahrscheinlichkeit von Zufällen, aber viel zu wenig Beispiele für bemerkenswerte Zufälle selbst hatte, um einen einigermaßen peppigen Artikel von immerhin 15000 Worten zustande zu bringen. Ich schrieb dem Magazin also einen Brief, daß es leider doch nichts würde, und ließ ihn auf der Schreibmaschine liegen. Ich wollte ihn am nächsten Tag einwerfen. Dann zog ich

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