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Rein Wie Der Tod

Rein Wie Der Tod

Titel: Rein Wie Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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Annahme, die auf seinen persönlichen Vorurteilen beruhte. Als sie sich fotografieren ließ, hatte sie wahrscheinlich ein Ziel vor Augen, das, wenn nicht den Höhepunkt der Jugend, so doch den Höhepunkt der Schulzeit für Abiturienten bedeutete: nämlich sich Tag für Tag sinnlos besoffen durch diese Abschlusszeit zu feiern. So hatte sie es auf dem Fest in Finsnes getan, bevor sie die Party verließ, um frische Luft zu schnappen, und nie mehr zurückkam. First you dream, then you die - wer hatte diese weisen Worte auf dem Gewissen?
    Damals hatte die Kripo Signe Herrings Freund als Verdächtigen im Visier gehabt. Er war sechs Jahre älter als sie und mehrfach gewalttätig gewesen. Einmal hatte er sie sogar krankenhausreif geprügelt. Aber es war nicht die DNA des Freundes gewesen, die man in den Spermaspuren an ihrem Körper gefunden hatte.
    Gunnarstranda betrachtete wieder die Fotos von Erik Valeur, dem Psychologen. Eine Klientin nach Hause zu fahren, nach der ersten Sitzung? Das wäre vielleicht nicht so verdächtig, wenn Veronika Undset nicht so attraktiv gewesen wäre. Und wenn sie jetzt nicht tot wäre.
    Gunnarstranda ließ die Begegnung mit Valeur noch einmal vor seinem inneren Auge ablaufen. Sein ungewöhnlicher Stil, völlig relaxed, als die Polizei bei ihm klingelte. Wie er über die Top-Twenty redete und über Herdentiermentalität. Musste das unbedingt etwas bedeuten? Der Mann pflegte seine Sammlermanie, und Gunnarstranda war schließlich in irgendein dazugehöriges Ritual eingebrochen. Es ist etwas zutiefst Menschliches zu sammeln, dachte er. Die allermeisten Menschen, die man kennt, sind auf die eine oder andere Weise Sammler. Vor der Winterolympiade in Lillehammer war das Sammeln von Olympia-Pins eine nationale Seuche gewesen. Im ganzen Land fanden Messen statt, und einzelne Anstecknadeln wurden zu astronomischen Preisen verkauft. Wer sammelte jetzt noch Olympia-Pins? Gunnarstranda kannte niemanden. Aber er wusste von Leuten, die Armbanduhren sammelten oder Wein, Autos, Cognacflaschen, Briefmarken, Münzen, Geldscheine, Kugelschreiber, Einwegfeuerzeuge, ja sogar Streichholzschachteln. Das Sammeln war ein Erbe der Evolution. Man musste einen langen Winter durchstehen, Holz sammeln, Nahrung, Futter für die Tiere.
    Aber irgendetwas war merkwürdig gewesen.
    Die scharfe Bemerkung über sein Anliegen - begleitet von einem harten und kalten Stachel im Blick, der sofort verschwand, als Gunnarstranda ihn spürte. Derselbe harte Stachel, der sich wieder gezeigt hatte, als der Psychologe sich leicht unter Druck fühlte.
    Die Kälte. Nichts weiter als seine eigene beschissene Intuition. Also nichts. Und dennoch: Gunnarstranda bekam Erik Valeur nicht aus dem Kopf.
    Das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab und bat den Anrufer, sich kurz zu fassen.
    Es war Emil Yttergjerde.
    »Irgendwie tickt dieser Psychologe nicht ganz richtig. Jetzt hat er zwei Stunden damit zugebracht, sein Auto zu waschen.«
    Wenn man von der Sonne spricht, dann scheint sie, dachte Gunnarstranda. Oder wie seine Mutter immer zu sagen pflegte: Ist schon komisch diese Welt, immer, wenn ich ganz fest an eine Freundin denke, dann ruft sie mich an.
    Yttergjerde fuhr mit seinem Bericht fort: »Erst ging es in die Waschanlage bei Statoil, aber damit war er nicht zufrieden, hat noch einen eigenen Platz gemietet, um hinterher selbst zu waschen. Hat richtig rangeklotzt mit Staubsauger und Salmiak, alle Matten und andere lose Teile rausgenommen, ist auf allen vieren gekrabbelt und hat geschrubbt, was das Zeug hält. Hat mehrmals das Wasser ausgewechselt und ist immer noch dabei. Wenn er versucht, Spuren zu entfernen, dann glaube ich echt, dass ihm das gelingt.«
    »Wir haben noch nicht genug in der Hand, um was gegen ihn zu unternehmen«, sagte Gunnarstranda.
    »Das dachte ich mir, aber es lohnt sich zu notieren, oder nicht?«
    Nachdem er aufgelegt hatte, saß Gunnarstranda da und betrachtete das Porträt der Abiturientin aus Finsnes. Es war an der Zeit, sich anzuhören, was Valeurs Exfrau zu sagen hatte. Er hob den Hörer wieder ab und rief die Polizei in Tromsø an.

35
    Sogar beim Essengehen wurde ihre Unterschiedlichkeit immer deutlicher. Ståle wollte in einem der trendy Lokale auf Aker Brygge sitzen und einen trockenen Hamburger zum Preis eines Filetsteaks bestellen. Er wollte sich die Chicks anschauen. Es war ihr jedes Mal peinlich, wenn er dieses Wort benutzte. Sie hatte ihn dreimal gefragt, was er von ihr wollte, wenn er doch eigentlich auf

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