Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
Vom Netzwerk:
überraschten Blick zu. »Weshalb sollte ich nicht von hier sein?«
    »Ihr Prager Singsang verrät Sie. Ist es die Leiche aus dem See?«
    »Ich habe sie zwar gefunden, aber nein, deswegen bin ich eigentlich nicht hier.«
    »So, Sie schreiben für die Schublade und stolpern über Leichen. Ihre erste?«
    »Nein, schon die zweite.«
    »Eine Sammlerin also auch noch. Sie leben gern gefährlich, wie es scheint.«
    Während ihr Gespräch hin und her mäandrierte, überlegte sie, an wen dieser Typ sie erinnerte. Waren es die Gesten? Die Stimme? Wenn er doch seine Sonnenbrille abnähme. Die Musik wurde lauter. Larissa sah zur Bar hinüber. Die Kellnerin hatte eine CD eingelegt, angenehm Melodisches, Tanzmusik für jedes Alter und alle Lebenslagen. Langsame. Sie zwinkerte Larissa zu und machte Tanzbewegungen. Larissa schüttelte leicht den Kopf, sah sich im Raum um. Einige Paare standen auf und begannen zu tanzen. Standard. Sie hatte keine Ahnung, was die alle mit ihren Füßen machten, aber es sah aus, als wüssten sie, was sie tun. Larissa hatte nie eine Tanzschule besucht. Schade eigentlich, dachte sie jetzt, sieht hübsch aus, wie sie sich gegenseitig über das Parkett schieben. Manche sogar mit kleinen Drehungen.
    »Darf ich bitten?« Er war aufgestanden, lächelte und verbeugte sich leicht.
    Sie konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, bei so viel überzogener Galanterie. »Ach … ich … also … ich weiß nicht … ich kann eigentlich gar nicht … Standardtänze und so …« Sie schüttelte verlegen den Kopf. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. »Ich würde Ihnen bestimmt nur auf die Füße treten …«
    Er nahm ihre Hand, zog sie hoch und an sich heran, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Wir fangen ganz langsam an. Lassen Sie sich einfach führen. Das ist der ultimative Kontrollverlust. Ein großes Abenteuer. Darauf sind Sie doch aus, oder etwa nicht?«
    Seine Stimme klang seltsam vertraut, tief, samtweich, freundlich ironisch. Dieses charmante Lächeln … Ihr Blick streifte seine linke Hand, die ihre Rechte hielt, wanderte zurück zu seinem Gesicht. Erst jetzt fiel ihr die dünne Narbe auf seinem linken Jochbein auf, halb verdeckt von der Sonnenbrille. Sie sah recht frisch aus, an den winzigen Nahtstellen klebte noch etwas Schorf. Das blonde, leicht gelockte Haar fiel ihm in die Stirn, ging an den Schläfen in einen kurzen, gepflegten Vollbart über, na ja, eigentlich eher ein Zehntagebart. Seltsam, dachte sie, während sie sich langsam und erstaunlich harmonisch über die Tanzfläche bewegten, wieso ist der Bartansatz so dunkel? Sie spürte seine rechte Hand fest und doch sanft auf ihrem Rücken. Zwischen ihnen war nur Platz für das sprichwörtliche Blatt Papier. Sie hatte seine Worte beherzigt und sich völlig seiner Führung anvertraut. Ein ungewöhnliches Gefühl – sehr anregend. Sie schmunzelte innerlich. Mit so etwas konnte das alberne Disco-Rumgehupfe in hundert Jahren nicht mithalten. Kein Wunder, dass solches Tanzen früher als anstößig galt und gefährlich für die Moral der jungen Damen. Die ihre zeigte auch schon deutliche Verschleißerscheinungen, wie ihr auffiel. In ihrem Bauch meldete sich eine Horde Schmetterlinge. Wie herrlich das kribbelte … und wie schnell und nachdrücklich sich so ein Kribbeln ausbreitete – in alle Richtungen. Er führte ausgezeichnet. Sie machte wie von selbst die richtigen Schritte, ihre Augen auf seine Brillengläser geheftet, hinter denen sie seine Augen nur erahnen konnte. Wo er wohl diese unglaublich dunklen Gläser herhatte? Das war weit cooler als die üblichen stillos verspiegelten Sonnenbrillen.
    Er lächelte. »Na also, es geht doch wunderbar. Ein Foxtrott. Das kleine Einmaleins des Tanzes beherrschen Sie also schon.« Du spielst mit dem Feuer, dachte er, aber er genoss es. Er liebte Feuer. Auch das im Kamin.
    Sie stutzte. Die Stimme. Seine Hände. Der dunkel nachwachsende Bart. Eine frische Narbe. Das kleine Einmaleins. Ihre Augen weiteten sich ungläubig. Vor ihrem geistigen Auge schob sich das Bild eines anderen vor sein Gesicht. Unmöglich. Völlig unmöglich.
    Sie weiß es, schoss es ihm durch den Kopf, als er das plötzliche Erstaunen in ihrem Gesicht sah. Er zog sie fester an sich, neigte den Kopf zu ihrem. » Don’t be psychic or you’ll blow it «, flüsterte er in ihr Ohr.
    Als er seinen Kopf wieder zurückzog, starrte sie ihn ungläubig an. »Ich glaube es nicht«, stammelte sie fassungslos, »wie … ich meine … Sie sind doch

Weitere Kostenlose Bücher