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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Fensterbrett. »Darf ich?«, fragte er. Seine Stimme war warm und zärtlich.
    Sie sah ihn einen Moment lang zweifelnd an, dann nickte sie. Sie wollte nicht wie eine hysterische Gans wirken. Reiß dich zusammen, dachte sie verärgert über sich selbst, er will nur helfen. Er tupfte ihr vorsichtig den Handrücken ab. Vielleicht etwas länger als nötig. »Ist schon gut, danke«, sagte sie, bemüht, ihre Stimme nicht zittern zu lassen, den Blick starr nach unten auf ihre Hand gerichtet.
    Er fasste mit einem Finger an ihr Kinn und hob ihren Kopf an. »Keine Bange«, sagte er leise, »ich weiß, wo die Grenzen verlaufen. Aber flirten ist nicht verboten, oder?«
    Erleichtert lächelte sie. »Nein, ich denke nicht.« Dass er die Grenzen kannte, wusste sie, er war ein vollendeter Gentleman, aber sie wusste auch, dass er mit großem Vergnügen Grenzen überschritt. Und du, ertönte eine ironische Stimme in ihrem Kopf, du etwa nicht?
    »Entschuldigen Sie«, meldete sich jemand von der Tür her.
    Sie wandten sich beide erschrocken dem Mann zu, der, ohne dass sie ihn gehört hatten, eingetreten war.
    »Ich suche Frau Doktor Axamitová«, sagte der Mann.
    »Axamit«, erwiderte Magda automatisch, »das bin ich. Und … äh, Sie sind?« Der Mann kam ihr vage bekannt vor. Groß, blond, gut sitzender dunkler Anzug, strahlend blaue Augen, kantiges Gesicht – wo hatte sie ihn kürzlich gesehen?
    »Felix Benda. Ich würde gerne mit Ihnen sprechen.«
    »Benda!«, rief Magda aus, »natürlich, Sie waren im Krankenhaus und haben mir all diese Fragen gestellt. Wo ist …«
    »So, der geheimnisvolle Herr Benda«, unterbrach Jirka, »oder sollte ich sagen Dr. Benda? Erfreut, Sie kennenzulernen, Herr Kollege. Ich bin Jirka Kratochvíl. Setzten Sie sich doch.« Er deutete auf einen Stuhl. »Da das hier ein längeres Gespräch zu werden droht – möchten Sie auch einen Kaffee?« Als der andere nickte, wandte er sich den Gerätschaften auf dem Fensterbrett zu.
    »Wo ist David?«, fragte Magda ohne Umschweife und verschränkte die Arme vor der Brust. Für tastende Nettigkeiten hatte sie keine Geduld. Je früher dieser Albtraum ein Ende nahm, umso besser. »Ich könnte Ihnen den Hals umdrehen!« Die Wut in ihrer Stimme war unüberhörbar.
    Felix Benda sah sie verblüfft an, sagte aber nichts. Er setzte sich. Magda blieb stehen, an ein Bücherregal unter dem Fenster gelehnt. Jirka reichte dem Besucher den Kaffee und setzte sich ebenfalls.
    »Also, wo ist er?«, wiederholte er Magdas Frage. »Und was verschafft uns so plötzlich die Ehre Ihres Besuches, nachdem Sie in den vergangenen Tagen alles getan haben, um uns aus dem Weg zu gehen?«
    Felix Benda trank vorsichtig einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse ab und blickte von einem zum anderen. »Ich brauche Ihre Hilfe.«
    »Ach ja?«, fragte Magda. »Ich schlage vor, Sie erzählen uns erst mal, was eigentlich passiert ist. Und zuallererst will ich wissen, wo David ist.«
    »Das ist ja das Problem. Ich weiß es nicht.«
    Magda und Jirka starrten ihn ungläubig an.
    Felix Benda seufzte und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. »Sie haben recht, er lebt. Wir haben ihn in Sicherheit gebracht, es war angesichts der Umstände die einzige Möglichkeit, ihm das Leben zu retten – auf Dauer, meine ich. Wir haben ihn in ein Sanatorium etwas außerhalb von Prag gebracht. Und nun ist er weg. Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Er hatte kein Geld, keine Papiere, keine Straßenkleidung. Und trotzdem ist er weg. Als hätte er sich in Luft aufgelöst.«
    Jirka konnte sich ein boshaftes Grinsen nicht verkneifen. »Und Sie können die Polizei nicht offiziell nach ihm suchen lassen, weil Sie zugeben müssten, dass Sie seinen Tod nur inszeniert haben. Mann, ich möchte nicht in Ihren Schuhen stecken, wenn die Sache platzt.«
    »Wie konnte er aus diesem Sanatorium verschwinden?«, wollte Magda wissen. »Irgendjemand muss doch etwas gesehen haben … ein Arzt, eine Schwester, der Hausmeister … Besucher …« Ihr wurde leicht und gleichzeitig schwer ums Herz. David lebt, dachte sie erleichtert. Und du spielst Spielchen mit Jirka, wisperte eine kleine, schadenfrohe Stimme in ihrem Kopf. Ach, halt endlich den Mund, dachte sie unwirsch.
    »Leider nicht. Besucher gibt es dort unter der Woche nicht, und die ganze Belegschaft war auf der Weihnachtsfeier. Als sie zu Ende war, stellten sie fest, dass David fehlt. Wir haben die ganze Umgebung abgesucht. Nichts. Nicht mal Fußspuren.«
    »Was ist mit seinem Handy?«,

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