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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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verschieben. Die Urbanová hatte sich Notizen gemacht, über Gespräche und Personen. Kafka taucht auch darin auf. Nicht sehr vorteilhaft für ihn, aber auch nicht so, dass man ihm einen reißfesten Strick daraus drehen könnte. Er ist an irgendeinem Schmuggel beteiligt, aber wohl nichts Großes bisher. Es scheint auch ein Typ darin verwickelt zu sein, der uns schon bei anderer Gelegenheit unangenehm aufgefallen ist, ein Herr mit vielen Namen. Einer davon ist Viktor Sorokin, aber wie der Kerl wirklich heißt, weiß wohl nur seine Mutter. Außerdem noch jemand von hier. Und ich nehme an, dass auch jemand von der Polizei beteiligt ist. Jedenfalls nach den Notizen von der Urbanová zu urteilen. Was erklärt, warum sie alles auf ihrem privaten Laptop gesammelt hat und nicht im Büro.«
    »Warum sollte jemand versuchen, Uran zu verschieben?«, fragte Magda überrascht, »das Zeug ist radioaktiv, das fasst doch freiwillig niemand an.«
    »Das kommt darauf an. Lassen Sie mich ein bisschen ausholen. Wir haben auf der Welt zurzeit vierhundertvierzig Kernreaktoren, für die im Jahr mehr als fünfundsechzigtausend Tonnen Uranerz benötigt werden. Vierundzwanzig weitere sind im Bau, vierzig geplant und fünfundsiebzig vorgeschlagen. Diese hundertneununddreißig Kernreaktoren, sollten sie tatsächlich gebaut werden, würden zusätzlich mehr als dreißigtausend Tonnen benötigen.«
    »Aber es wird doch Uran gefördert – ich verstehe nicht ganz …«
    »Schon, aber in den frühen Neunzigerjahren wurden recht viele Uranminen geschlossen. Und seit dieser Zeit wird die Lücke zwischen Förderung und Bedarf immer größer. Anfangs hat man das mit zivilen und militärischen Lagerbeständen kompensiert, aber das wird nicht lange so weitergehen können. Bei gleichbleibender Förderung und der Zunahme von Kernreaktoren wird das Uranerz noch vielleicht für vierzig, fünfzig Jahre reichen. Dann ist Schluss. Dem Uran wird es genauso ergehen wie dem Erdöl. Irgendwann wird der Rohstoff erschöpft sein.«
    »Ich verstehe«, sagte Jirka nachdenklich, »wenn also die Nachfrage größer ist als das Angebot, dann steigen die Preise …«
    »So ist es. 1997 lag der Spotmarktpreis von Uran bei etwa sechsundzwanzig US-Dollar pro Kilogramm. Inzwischen liegt er bei über zweihundert US-Dollar.«
    »Und was hat dieses Land mit dem Uran zu tun?«
    »Nun, abgesehen von der Tatsache, dass das weltweit erste Uranerz auf tschechischem Boden abgebaut wurde, schon im ausgehenden 19. Jahrhundert bei Jáchymov übrigens – von dort hatte Marie Curie die Pechblende für ihre Experimente … Also: Abgesehen von diesem historischen Detail, wurden in den etwa hundert Jahren des Uranabbaus in Tschechien etwa einhundertzehntausend Tonnen abgebaut. Zwischen 1946 und 1992 war dieses Land der weltweit fünftgrößte Produzent von Uran. Bis auf ein Bergwerk in Mähren wurden aber alle weiteren Uranbergwerke Anfang der Neunzigerjahre geschlossen. Nichtsdestotrotz sitzt Tschechien aber auf geschätzten Vorräten von weiteren einhundertfünfzehntausend Tonnen, die zu den heutigen Weltmarktpreisen an die fünfhundert Milliarden tschechische Kronen wert sein könnten. Das sind fast dreißig Milliarden Euro.«
    »Es gibt also ein gewisses Interesse an Uranlagerstätten«, sagte Jirka.
    »In der Tat. Amerikanische, australische und auch russische Gruppen haben Interesse.«
    »Man will also die alten Bergwerke reaktivieren?«, fragte Magda.
    »Möglich.«
    »Aber Sie sagten, jemand wolle das Zeug verschieben. Ich nehme an, dass die Menge reines Uran, das man aus dem Uranerz ziehen kann, relativ gering ist, heißt, es wird wohl kaum um das Verschieben von Uranerz gehen, oder?«
    »Richtig. Aus zwei Tonnen Erz gewinnt man etwa ein Kilogramm sogenannten Yellowcake, was der Ausgangsstoff zur Herstellung von Brennelementen ist. Da sind die zu verschiebenden Mengen schon weitaus kleiner.«
    »Wollen Sie im Ernst behaupten, dass dieser Rechtsanwalt und seine zweifelhaften Kumpane versuchen, diesen Yellowcake zu verschieben? Woher sollten sie das Zeug überhaupt haben? Das ist doch Unsinn!« Magda schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Das Zeug hätte man doch all die Jahre irgendwo lagern müssen …«
    »Laut der Aufzeichnungen auf dem Laptop gibt es bei Stará Voda in Westböhmen ein paar geschlossene Stollen, die sich für so ein Versteckspiel eignen könnten. Das würde erklären, wie die Urbanová dort hingekommen ist. Von Stará Voda nach Franzensbad sind es nur knapp dreißig

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