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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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wollte sich von ihm nicht auf diese Weise an David erinnern lassen. Die Bilder und Gefühle, die sie mit diesem Duft verband, gehörten zu einem intimen Bereich ihres Lebens, in dem Jirka nichts verloren hatte.
    Er lachte. »Klar habe ich zu tun, aber Papier ist geduldig. Genauso wie dieses herrenlose Bein. Essen zu gehen, wäre auch eine Ersatzhandlung – allerdings eine sehr viel angenehmere.«
    »Ein anderes Mal, Jirka, danke. Jetzt ist das Bein dran. Ich will es wirklich wissen.« Geh endlich weg, dachte sie. Wenn sich die beiden wenigstens nicht so ähnlich wären. Wenn Jirka ein dicker, kleiner, hässlicher Typ wäre … Sie konnte den Duft und das, was er in ihr gegen ihren Willen auszulösen begann, fast nicht mehr ertragen.
    »Na schön. Ich helfe. – Ich habe nämlich ebenso wenig Verlangen nach meiner Wohnung wie du nach deiner. Aber spätestens in einer Stunde verschwinden wir von hier. Ich habe neulich ein wunderbares kleines Lokal entdeckt. Ein kleiner Italiener in einer winzigen Gasse am Altstädter Ring.«
    »Das Giovanni?«
    »Du kennst es? Schade, ich dachte, ich könnte dir etwas Neues zeigen.«
    »Ich habe keinen Hunger, Jirka, ich …« Ich bin außer mir vor Schmerz und Trauer, ich hasse dich für dein Parfüm, das mich an Dinge erinnert, an die ich nicht denken will, ich will nichts tun, was …
    »Du musst gelegentlich etwas essen – von Kaffee und Arbeit allein kann man nicht leben«, unterbrach er ihre wirren Gedanken. »Also – ich helfe dir noch ein bisschen und dann gehen wir essen.«
    »Bis wir dorthin kommen, ist die Küche zu.« Sie sah ihn zweifelnd an. Zu Hause wartete trostlose Einsamkeit. Sie konnte Gesellschaft brauchen, wenigstens noch ein bisschen, bis sie so müde war, dass sie freiwillig ins Bett fallen würde. Schön, dachte sie, aber auf meinem Grund und Boden, nur so weit weg von zu Hause, dass ich problemlos alleine heimgehen kann. »Ich gehe nachher noch ins Ráj, glaube ich. Auf ein Glas Wein.« Oder zwei oder drei, setzte sie in Gedanken hinzu. »Wenn du magst, kannst du mitkommen.«
    Jirka seufzte. »Du bist schlimmer als ein sturer Esel, Magda. Also schön, ins Ráj. Aber du isst auch was.«
    Sie blickte genervt zu ihm auf. »Du bist unerträglich.«
    »Ja, das höre ich gelegentlich.« Er streifte sich Einmalhandschuhe über und schnappte sich ein Skalpell. »Angeblich war das der Grund für meine Beförderung.«
    »Schlimmer als eine Gouvernante«, murmelte sie.
    »Aber allemal bessere Gesellschaft als so ein angefressenes Bein.«
    Sie sah auf. Dann lächelte sie. »Da ist was dran.«
    »Und ich rieche deutlich besser.«
    Leider, dachte sie, und schnitt, heftiger als sie beabsichtigt hatte, eine Sehne durch.

8
    Jestliže otisky a obrazy, naše stopy přetrvávají
( jsme my vzpomínky druhých, památné postavy).
    Wenn Abdrücke und Bilder unsere Spuren überdauern
( sind wir die Erinnerungen anderer, erinnerte Gestalten).
    Das Ráj war leer bis auf einen Gast, der mit dem Rücken zur Tür an dem kleinen Tisch im Erker saß, rauchte und sein halb leeres Bierglas anstarrte.
    »Ota«, rief Magda, während sie ihren Mantel über einen Stuhl warf und auf ihn zuging. Er sah nicht gut aus. Ringe unter den blassblauen Augen, die Kleidung zerknittert, als hätte er darin geschlafen. Wenn er denn geschlafen hatte.
    Otakar Nebeský, Inspektor der Prager Mordparta, drehte sich überrascht um. »Auch schon Dienstschluss? Ich dachte, du kommst gar nicht mehr. Wollte schon gehen – aber …« Seine Stimme wurde zu einem Flüstern. Er stand auf und umarmte Magda, als wolle er sich an ihr festhalten. Einen Moment später riss er sich los, schüttelte den Kopf und straffte die Schultern. »Verzeih, bitte. Ich … ich kann es einfach noch immer nicht fassen, weißt du. Dass er tot ist … Es will mir nicht in den Schädel …« Er bemerkte Jirka Kratochvíl, der hinter Magda stand. »Hey, da ist ja auch unser Chefschnipsler! Dann ist die Nacht gerettet. Du hast doch bestimmt ein paar Anekdoten aus den Tiefen eurer Katakomben, die uns angenehmere Albträume bescheren, als …« Er brach ab. »Entschuldige, ich bin nicht ganz ich selbst. Wahrscheinlich sollte ich einfach gehen, ihr habt sicher was anderes zu tun, als mir Idioten zuzuhören.« Er griff zögernd nach seinem Anorak.
    »Mach keinen Quatsch«, erwiderte Jirka und drückte ihn zurück auf seinen Stuhl. »Hast du was gegessen?« Langsam fühlte er sich wirklich wie die Mutter der Kompanie. Ota sah grauenhaft aus. Zu

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