Reinen Herzens
seine obskuren Rosenhändler fasste. Das konnte Wochen dauern, wenn nicht Monate. Was für eine hirnverbrannte Idee, ihn für tot zu erklären! So einen Mist konnte sich nur ein durchgeknallter Geheimagent einfallen lassen. Und er hatte auch noch mitgemacht, hatte sich von Felix’ fadenscheinigen Argumenten überfahren lassen. Als wäre das Ganze ein Agentenfilm, in dem sie spielten. James Bond mit Laiendarstellern. Was für ein Schwachsinn. Hielt Felix sich wahrhaftig für eine Art realen 007 – inklusive Lizenz zum Töten? Offensichtlich, wenn auch in seinem Fall glücklicherweise nur auf dem Papier.
Er blieb unschlüssig am Fenster stehen. Irgendetwas musste er tun. Wenn an dem Gerücht über die roten Rosen tatsächlich etwas dran war, dann durfte er die Sache nicht verderben, das würde Felix ihm nie verzeihen – und er sich auch nicht. Aber er konnte nicht wochenlang untätig herumsitzen. Er hatte Eva durch seine klaren Worte in tiefe Verzweiflung gestürzt – und Magda durch seinen angeblichen Tod. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie sie sich jetzt fühlen musste, nach allem, was sie seit dem Sommer durchgemacht hatte. Wenigstens etwas davon musste er wieder in Ordnung bringen. Magda konnte er im Moment nicht helfen, ohne Felix zu verraten, aber er konnte versuchen, Eva zu finden. Er musste hier raus. Seine Finger klopften ein ungeduldiges Stakkato auf dem Fensterbrett. Sein Blick fiel wieder auf die Spuren im Schnee, die zu dem kleinen Gartentor führten. Er wollte seinem Freund so wenig in die Parade fahren wie möglich, also würde er wohl oder übel heimlich verschwinden müssen. Aber dazu würde er Hilfe brauchen. Das Sanatorium lag etwas außerhalb der Stadt. Er ging zum Schrank hinüber und suchte nach seinem Portemonnaie. Es war noch da. Eine kleine Nachlässigkeit – oder eher große Vertrauensseligkeit –, die ihm helfen würde, aus dem Spiel auszusteigen. Er betrachtete die Kleidungsstücke im Schrank. Er hatte einen zerrissenen Mantel, ein ebenso zerrissenes und dazu blutbeflecktes Jackett und keine Hose. David sah an sich herunter. Felix hatte ihm fürs Erste ein T-Shirt und eine Jogginghose besorgt, im Schrank lagen zwei weitere T-Shirts, dazu Unterwäsche und Socken. Kein Hemd, keine vernünftige Hose. Prächtig. Er sah im Geldbeutel nach. Er hatte fünftausend Kronen. Das dürfte zunächst reichen. Auf die Kreditkarte würde er nur im äußersten Notfall zurückgreifen. Ohne vernünftige Klamotten würde er allerdings nicht weit kommen.
Woher Hilfe nehmen? Magda anzurufen kam nicht infrage. Er wusste noch nicht einmal, wie er ihr die Sache mit Eva erklären sollte, geschweige denn seinen Tod und Felix’ abstrusen Plan. Otakar Nebeský, sein Partner, war auch keine Option, dem würde man das Geheimnis fünf Meilen gegen den Wind anmerken, er war ein schlechter Lügner. Insofern war Felix’ Beharren auf dieser Geheimniskrämerei wohl doch keine so schlechte Idee gewesen. Vielleicht Jirka Kratochvíl. Jirka war hinreichend unkonventionell und würde möglicherweise für einen guten Zweck auch mal fünf gerade sein lassen. Vor allem aber war er verschwiegen wie ein Grab, wenn es sein musste. Noch während er fieberhaft überlegte, klingelte sein Handy wieder. Geistesabwesend warf er einen Blick auf das Display. Zu seiner Überraschung zeigte es diesmal keine Nummer, sondern einen Namen: Agáta Abrhámová. Die patente alte Dame, die er im Fall Hermes kennengelernt hatte. Er zögerte. Lass es klingeln, warnte eine Stimme in seinem Kopf, du bist tot. Trotzig hob er ab und meldete sich mit einem kurzen »Ja?«
»Gott sei Dank!«, hörte er Agáta Abrhámovás angenehme Stimme am anderen Ende der Leitung, »Sie leben! Ich las in der Zeitung, dass ein Kommissar der Mordparta erschossen worden sein soll, ein David A. Aber dann muss es ein anderer gewesen sein. Wie geht es Ihnen, Herr Kommissar?«
Kurz entschlossen wagte David den Sprung ins kalte Wasser. »Frau Abrhámová, Sie sind ein Geschenk des Himmels.«
»Inwiefern?«, fragte sie, offensichtlich überrascht.
»Ich bin tot, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen …« Du bist verrückt, dachte er, während er ein Lachen unterdrückte, völlig durchgeknallt. Aber er merkte, wie er begann, sich deutlich besser zu fühlen.
Die Stille am anderen Ende der Leitung war fast mit Händen greifbar, dann erwiderte Agáta Abrhámová mit amüsiertem Unterton: »Ich denke, ich verstehe. Ich bin ja
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