Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken
gehört die Suche nach einer „Perle“ – der Name suggeriert es schon – zu den letzten großen Abenteuern unserer Zeit. Sagen wir es, wie es ist: In Städten wie Hamburg oder München findet man eher eine bezahlbare Wohnung als eine Putzhilfe für selbige.
Meine Frau und ich hatten genau anderthalb Jahre beides. Jolanda stammte aus Polen, nahm zwölf Euro die Stunde und gab uns eine Quittung für die Steuer. Das ist wie ein Sechser im Lotto, mit Zusatzzahl! Entsprechend erschüttert waren wir, als sie ausgerechnet am Heiligen Abend 2010 ihren Dienst mit einer kurzen SMS quittierte: „Komme nix mehr. Ausgebrannt.“ Wir ärgerten uns, dass wir Jolanda an so viele Freunde weiterempfohlen hatten, die sie offenbar in ihren überdimensionierten Wohnungen verheizt hatten. Wenigstens kündigte sie nach und nach auch bei denen …
Die Suche nach einer Ersatzfrau war eine Qual. Kandidatin Nummer eins stammte aus der Ukraine und kam fünf Wochen nach Jolandas Demission zum Probeputzen in unsere Wohnung, die nach der langen perlenlosen Zeit furchtbar aussah. Sie leistete ganze Arbeit, und es wäre alles bestens gewesen, wenn sie die Fenster im Wohnzimmer nicht offen gelassen und irgendein hungriges Tier (wir vermuten, es war ein Eichhörnchen) das als Einladung verstanden hätte. Nur den Fernseher hatte es nicht umgeschmissen oder angenagt. Als wir die junge Dame am Telefon vorsichtig auf das kleine Versäumnis und möglichen Schadenersatz ansprachen, legte sie einfach auf.
Die Kandidatinnen zwei, drei und vier erschienen nicht zum vereinbarten Termin. Nummer fünf brachte ihre Familie, Nummer sechs ihre beiden Hunde mit. Nummer sieben war wie Jolanda aus Polen. Sie putze nur halb so gut, aber das war uns egal. Wir gaben ihr den Wohnungsschlüssel und verabredeten, nach dem zweiten Termin endgültig über die Art der Bezahlung zu sprechen. Sie wollte ihr Geld schwarz, wir wollten die gewohnte Quittung und dachten, uns irgendwie einigen zu können. Von wegen. Wir erhielten die nächste Putzfrauen-SMS: „Entweder schwarz oder gar nicht. Sonst Schlüssel im Briefkasten.“ Dort fanden wir ihn am nächsten Tag.
Wir gaben auf und unterschrieben bei einer deutschen Reinigungsfirma. Die ist zwar schweineteuer, garantiert aber, dass immer irgendjemand zum vereinbarten Zeitpunkt die Wohnung sauber macht. Nicht so gut wie Jolanda, aber damit war zu rechnen. Ausgerechnet deutsche Putzfrauen haben in der Szene keinen besonderen Ruf. „Können nur ein Sache gut: Pause machen“, hatte Jolanda einmal gesagt, und die musste es wissen.
In unserem Freundeskreis sind wir nun die Einzigen, die keine Putzhilfe mit Migrationshintergrund haben. Es gehört zu den großen Rätseln der Republik, dass wir Deutsche Einwanderern grundsätzlich misstrauen, ausländischen Putzfrauen aber von heute auf morgen sämtliche Wohnungsschlüssel aushändigen. Normalerweise übrigens, ohne sich eine Adresse geben oder einen Ausweis zeigen zu lassen. Es reicht die Empfehlung aus dem Nachbar- oder Freundeskreis, schon hat sie Zugang zu den größten Häusern und teuersten Wohnungen. Was sie mit wem dort wie lange macht – wer weiß das schon? Die Deutschen haben sich angewöhnt, wenig bei Dienstleistungen nachzufragen, die zwischen acht und zwölf Euro in der Stunde kosten. Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis, Kranken- und Sozialversicherung? Wird schon alles seine Richtigkeit haben.
Wobei es manchmal interessant sein kann, seine Putzfrau etwas besser zu kennen. Dann wundert man sich – wie in unserem Fall – vielleicht weniger über die abschätzigen Blicke der Nachbarin, die von ihrem Balkon freie Sicht auf unser Wohnzimmer hatte. Im Sommer bekam sie dort alle zwei Wochen eine fremde Frau zu sehen, die beim Staubsaugen nichts außer einem Slip trug. Jolanda machte das aber nur, wenn es richtig, richtig heiß war, und extra berechnet hat sie es uns auch nicht.
Pünktlichkeit ist eine Zier …
Während sich die Legende von der deutschen Sauberkeit dank illegaler ausländischer Putzkräfte wenigstens nach außen aufrechterhalten lässt, ist die Sache mit der Pünktlichkeit schon schwieriger. Mag ja sein, dass die preußischen Tugenden zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg nachwirkten, und meinetwegen in den aufgeräumten Fünfziger- und Sechzigerjahren. Vielleicht ist man bei uns auch im Vergleich zu dem einen oder anderen afrikanischen Land pünktlich, wo man bei Verabredungen nicht darauf achtet, wann genau , sondern ob überhaupt
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