Reise nach Genf
sauber. Der Mann hockte sich auf einen Schemel. »Wenn es um Geld geht, kann ich vielleicht helfen …«
»Es geht nicht um Geld«, sagte ich. »Ich erzähle Ihnen jetzt eine Geschichte, Sie hören zu. Und dann überlegen wir, was wir tun können. Ist er glücklich hier?«
»Ja. Gute Frau, gute Kinder. Mamma mia, seine Kinder! Und er soll später diesen Laden hier übernehmen. Was hat er …?«
»Er ist vorbestraft, nicht wahr?«
Er nickte. »Ja, irgendeine Drogengeschichte. Er ist nicht süchtig, er nimmt keine Drogen. Er ist in diese Sache in München einfach reingeschlittert. Er hat dafür gesessen. Nicht lange, aber lange genug. Ich hatte damals einen Betrieb in Schwabing, ich ging dann hierher, wo die Leute nichts wußten.«
»Wer verkaufte ihm die Papiere auf den Namen Paolo Maggia?«
»Woher wissen Sie … Es waren Freunde aus München.«
»Die Mafia?«
»Nein, nein, Freunde. Sie sagten, er könnte sie haben, sie seien in Ordnung. Ich dachte, es wäre besser so, ich sagte: Hau ab, du brauchst ein paar Jahre Ruhe irgendwo. Was hat er angestellt?«
»Peppo, ich muß verdammt noch mal wissen, ob die Papiere von der Mafia waren. Wenn ich das nicht weiß, kann mich das verdammt teuer kommen.«
»Was hat er gemacht? Drogen? Wieso Drogen, er hat genug Geld. Keine Drogen? Was dann? Ich wußte immer, glauben Sie mir, ich wußte immer, daß bei Gaetano etwas schiefgeht. Er lacht so gern, er ist so verdammt leichtsinnig, ein guter Kerl, aber so verdammt leichtsinnig. Ich wußte es immer, glauben Sie mir, ich …« Dann fing er an zu weinen.
»Nicht weinen, bitte, das hilft ihm nicht. Als er im Spätherbst 1987 hierherkam, wieviel Geld hatte er bei sich?«
Er hockte vor mir auf dem hölzernen Schemel und hielt die Handflächen vor sein Gesicht. »Er hatte das Geld vom Lotto. Er hatte mit einem Kumpel viel Geld gewonnen, und er dachte: Wenn ich das Geld jetzt Papa bringe, ist alles wieder paletti.«
»Wieviel war es?«
»Anderthalb Millionen, irgend so etwas. Ich weiß noch, ich dachte: So was gibt es nur in schlechten Romanen.«
»Anderthalb Millionen Mark oder anderthalb Millionen Dollar?«
Einen Augenblick lang war es ganz still. Dann hob er sein Gesicht und starrte mich an. »Na ja, Mark natürlich. Wieso Dollar?«
»Peppo, was zahlst du an Schutzgebühr?«
Es war wieder still.
»Also du kommst doch von den Freunden.«
»Nein, verdammt noch mal. Wieviel zahlst du?«
»Für die Papiere von Gaetano damals viertausend. Dann monatlich fünfhundert. Sie sagen, sie mögen mich, sie sagen, ich kriege einen Sondertarif. Sie wollen jetzt mehr, nicht wahr?«
»Nein, ich wollte es nur wissen. Auf welcher Bank hat er es eingezahlt?«
»Auf der Hypobank. Die meisten Leute hier sind bei der Hypo, ich auch. Was für eine Geschichte wolltest du mir erzählen?«
»Als dein Sohn sich Paolo Maggia nannte, war er Kellner im Hotel ›Beau Rivage‹ in Genf. Dort starb Watermann, du weißt schon, dieser Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein. Seine Leiche war noch nicht kalt, da kam dein Sohn Gaetano mit einem Haufen Geld hier an. Das ist doch so, oder?«
»Also hat er damit zu tun? Er hat mir mal erzählt, das wäre passiert, als er Nachtdienst hatte. Aber weiter hat er nichts gesagt. Wieso hat er damit zu tun?«
»Eigentlich hatte er mit dem Tod des Mannes nichts zu tun, aber zufällig weiß er etwas, und wahrscheinlich besitzt er auch Unterlagen, die beweisen, daß Watermann getötet wurde. Er machte das Wissen und die Unterlagen zu Geld.«
»Nein. Das ist nicht wahr. Nicht Gaetano. Woher weißt du das? Und wer bist du?« Er weinte.
»Ich bin ein Journalist. Ich versuche zu beweisen, daß Watermann ermordet wurde …«
»Ja, ja, viele Leute sagen, es war Mord, aber es läßt sich nicht beweisen. Wieso Gaetano? Was ist da abgelaufen? Und jetzt? Jetzt sind sie hinter ihm her? Nicht wahr, sie sind hinter ihm her.«
»Was hat er jetzt für Papiere?«
»Na ja, Gaetano Clementi natürlich. Gute, neue Papiere. Führerschein auch. Versicherungen auch. Gaetano Clementi, ganz normal. Was sind das für Leute, die hinter ihm her sind?«
»Vielleicht sind sie noch nicht hinter ihm her, aber lange kann das nicht mehr dauern. Ich will seine Geschichte hören.«
Er hockte ganz still und in sich versunken auf dem Schemel.
»Da kriegst du Kinder, da ackerst du wie ein Esel, und dann so etwas.« Er schüttelte den Kopf, er war betrübt. »Wenn Gaetano das erfährt, dann ist er, schwupp, verschwunden. Ha, ich kenne
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