Reise nach Genf
sagte, Gerber sei ein guter, schnell arbeitender, diskreter Mann. Er war wirklich gut, wenngleich unverschämt teuer. Sagen Sie, ist dieser Watermann wirklich umgebracht worden? Das interessiert mich.« Er lächelte. »Es ist mir egal, wie er starb. Zynisch ausgedrückt ist es gut, daß er ging. Wie ist das passiert?«
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Minna ihn fotografierte.
»Man hat immer schon gemunkelt, daß mit seinem Tod nicht alles in Ordnung war …«
»Er hatte ja wohl auch Schwierigkeiten mit Medikamenten«, sagte er. »Diese haltlosen Typen haben das ja oft. Will sagen, er war ein Schwein.«
»Das mag so sein«, sagte ich vorsichtig. »Es deutet alles darauf hin, daß er nicht allein war, als er starb. Vermutlich starb er nicht einmal in seinem eigenen Zimmer. Seltsamerweise war in diesem ›Beau Rivage‹, diesem Hotel in Genf, auch merkwürdig viel Publikum, das sich versteckte. Ich meine also Gäste, die bemüht waren, so zu tun, als seien sie gar nicht da. Watermann hatte dort ein Treffen, und kein Mensch weiß, wen er traf.«
»Ich kenne das ›Beau Rivage‹ gut«, murmelte er. »Es ist ein Treffpunkt meiner Familie gewesen, als ich ein junger Mann war. Damals war es Mode, sich in Genf zu treffen. Sogar unser Verein hat dort schon Diskussionsabende veranstaltet. Westphal, das weiß ich, ist öfter in dem Haus. Das hat bei ihm aber berufliche Gründe.«
»Ich entdeckte ihn in Gästelisten«, log ich.
»Das ist normal«, sagte er. »Bei der diffizilen Ware, mit der er handelt, ist Genf sozusagen der Normalfall, der Nabel der Welt.«
»Was für eine Funktion hat er im Verein?« fragte Minna.
»Er ist Geschäftsführer«, sagte er freundlich. »Er ist sehr agil, kümmert sich um alles, arrangiert und macht und tut. Wirklich rege. Außerdem ist er selbstverständlich unseren Traditionen verpflichtet, spendet auch einiges übers Jahr, ist wirklich …«
Es klopfte.
»Herein«, rief er.
Der Mann, der hereinkam, war blond und jung. Ich schätzte ihn vielleicht auf achtundzwanzig Jahre. Er war ein Muskelprotz, einer von der Sorte, die ständig freundlich lächelt und gar nicht anders kann.
»Der Kaffee, Herr Baron«, sagte er.
»Mein Sekretär Blum«, sagte von Windlingen. »Unser unschätzbarer Helfer in allen Lebenslagen.«
»Guten Tag«, sagte er förmlich und verbeugte sich samt dem Silbertablett, das er vor sich hertrug. Er arrangierte die Tassen, den Zucker, die Kanne, die Milch, die Karaffe mit dem Likör.
»Die Herrschaften sind von der Presse und recherchieren den Tod des Herrn Watermann«, erklärte der Baron.
»Das ist interessant«, strahlte Blum. »Ich war zu jung, um zu begreifen, was damals passierte. Ich denke, er hat Selbstmord begangen.«
»Hat er wahrscheinlich nicht«, sagte Minna trocken.
»Hat er nicht? Ist er getötet worden?«
»Wahrscheinlich«, sagte ich. »Was sind das für Freizeitsportler da unten in dem Zeltlager?«
»Wir schenken ihnen Sommerferien«, sagte der Baron. »Es sind junge Arbeitslose aus dem neuen deutschen Osten. Da muß man etwas tun, sonst verlieren sie den Mut. Sie sind für zwei Monate hier. Sie spielen, treiben Sport, machen Wanderungen. Blum hat sie unter seine Fittiche genommen.«
Blum trat zwei Schritte zurück und blieb stehen, die Hände vor der Brust verschränkt. »Noch etwas, Herr Baron?«
»Nein, danke Blum. In Ordnung.«
»›Preußens Geschichte‹ hat also auch Sozialpflichten?« fragte ich Blum.
»Natürlich«, sagte er. »Na ja, wenn Sie sich um diesen Watermann kümmern, dann wissen Sie, wie schnell man auf die schiefe Bahn geraten kann. Watermann ist ein Beispiel für machtgeile Arroganz, denke ich. Der Mann hat viel zerschlagen.«
»Einige Menschen aus der Familie sind in Ihrem Verein«, lächelte Minna ihn an.
»Die sind aber von ganz anderem Kaliber«, betonte Blum schnell.
»Sie glauben an Eliten?« fragte ich.
»Selbstverständlich«, sagte er. »Sie etwa nicht?«
»Watermann hat die Elite also verlassen und sich auf schnöde menschliche Eigenschaften wie Habgier und Machtgeilheit eingelassen?« fragte Minna.
»Genau«, sagte er knapp. »Das trifft es. Um Leute wie Watermann, entschuldigen Sie, ist es wirklich nicht schade. Sie sind wie Krebs am Volkskörper, wie eine Wucherung. Mediziner schneiden Wucherungen aus dem gesunden Gewebe heraus.«
»So kann man es deuten«, nickte ich. »Waren Sie auch schon einmal in dem Hotel ›Beau Rivage‹ in Genf?«
»Noch nie«, sagte er. »Ich bin selten im Ausland,
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