Reise nach Ixtlan.
Zeit für närrische Gedanken und Stimmungen. Keiner von uns hat Zeit für so etwas.«
»Möchtest du wissen, was ich mit dir machte, als wir uns das erstemal begegneten? Ich sah dich, und ich sah, daß du dachtest, du lügst mich an. Aber das tatst du nicht, nicht wirklich.« Diese Erklärung, sagte ich, verwirre mich noch mehr. Er sagte, aus diesem Grund wolle er sein Handeln nicht erklären, außerdem seien Erklärungen auch nicht nötig. Das einzige, was zähle, sei das Handeln. Handeln statt Sprechen. Er zog eine Strohmatte nach draußen und legte sich nieder, wobei er den Kopf auf ein Bündel stützte. Er machte es sich bequem, und dann sagte er, da sei noch etwas, das ich tun müsse, wenn ich wirklich etwas über Pflanzen lernen wolle. »Was bei dir nicht stimmte, als ich dich sah, und was auch jetzt bei dir noch nicht stimmt, ist die Tatsache, daß du für das, was du tust, nicht gern die Verantwortung übernimmst«, sagte er bedächtig, als wollte er mir Zeit geben, das Gesagte zu verstehen. »Als du mir in der Busstation all diese Dinge erzähltest, war dir bewußt, daß es Lügen waren. Warum hast du gelogen?« Ich erklärte ihm, daß es meine Absicht gewesen sei, einen Schlüssel-Informanten für meine Arbeit zu finden. Don Juan lächelte und summte ein mexikanisches Lied. »Wenn ein Mann beschließt, etwas zu tun, dann muß er es durchführen, aber er muß die Verantwortung für das übernehmen, was er tut. Ganz egal, was er tut, er muß zuerst wissen, warum er es tut, und dann muß er zu seinen Taten schreiten, ohne an ihnen zu zweifeln oder sie zu bereuen.«
Er sah mich prüfend an. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Schließlich wagte ich es, schwach protestierend, eine Meinung zu äußern. »Das ist unmöglich!« sagte ich.
Er fragte, warum, und ich meinte, daß das wohl jeder als Ideal gern anstrebe, doch in der Praxis sei es nicht möglich, Zweifel und Reue zu vermeiden. »Natürlich ist es möglich«, antwortete er überzeugt. »Sieh mich an«, sagte er. »Ich kenne weder Zweifel noch Reue. Alles, was ich tu, ist meine Entscheidung und meine Verantwortung. Die einfachste Sache, die ich tu, zum Beispiel dich in die Wüste mitnehmen, könnte sehr wohl meinen Tod bedeuten. Der Tod wartet auf mich. Darum habe ich keinen Platz für Zweifel oder Reue. Wenn ich als Folge dessen, daß ich dich mitnehme, sterben muß, dann muß ich eben sterben.
Du hingegen glaubst, daß du unsterblich bist, und die Entscheidung eines Unsterblichen können bereut oder bezweifelt oder rückgängig gemacht werden. In einer Welt, wo der Tod der Jäger ist, mein Freund, da ist keine Zeit für Reue oder Zweifel. Da ist nur Zeit für Entscheidungen.«
Ich entgegnete ganz aufrichtig, meiner Meinung nach sei das eine irreale Welt, denn sie entstehe willkürlich, indem man ein idealisiertes Verhalten vorschreibe und behaupte, so und nicht anders müsse man vorgehen.
Ich erzählte ihm die Geschichte meines Vaters, der mir in endlosen Vorträgen vorzuhalten pflegte, in einem gesunden Körper wohne ein gesunder Geist und junge Männer sollten ihren Körper durch Härte und sportliche Wettkämpfe beherrschen lernen. Er war damals noch jung; als ich acht war, war er erst siebenundzwanzig. Normalerweise kam er im Sommer aus der Stadt, wo er Unterricht gab, um wenigstens einen Monat mit mir auf der Farm meiner Großeltern zu verbringen, wo ich lebte. Es war stets ein schlimmer Monat für mich. Ich erzählte Don Juan ein Beispiel für das Verhalten meines Vaters, das, wie ich glaubte, auf die gegenwärtige Situation zutraf.
Fast unmittelbar nach der Ankunft auf der Farm drängte mein Vater darauf, mit mir einen langen Spaziergang zu machen, so daß wir über alles sprechen konnten, und während wir gingen, machte er Pläne, wie wir jeden Morgen um sechs Uhr schwimmen gehen würden. Abends stellte er den Wecker auf fünf Uhr dreißig, um genügend Zeit zu haben, denn um Punkt sechs mußten wir im Wasser sein. Und wenn dann morgens der Wecker rasselte, sprang er aus dem Bett, setzte die Brille auf und ging zum Fenster, um hinauszuschauen. Den Monolog, der dann folgte, konnte ich sogar noch auswendig:
»Hm... etwas bewölkt heute. Hör mal, ich lege mich nochmal gerade für fünf Minuten hin, ja? Nicht länger als fünf Minuten. Ich will nur eben mal meine Muskeln strecken und ganz wach werden.«
Und dann schlief er regelmäßig wieder ein - bis zehn Uhr, manchmal bis Mittag. Was mich am meisten ärgerte, sagte ich zu Don
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