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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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ist von ihnen, Du darauf herumtrampelst, Du lauthals Dich beschwerst und unversehens selbst nackt dastehst. Aber warum? Wer ist schuld?
    Ich glaube, ich habe mit allem gerechnet, mit Krankheit, Versagen, Vergessen, aber nicht mit der Zeit. Die Zeit hat uns besiegt, aber sie ist nie als unser Gegner aufgetreten. Sie kam auf leisen Sohlen über Nacht und nistete sich heimlich ein. Kann man Zeit anfassen? Sie rütteln, mit ihr ringen, sie zurückschlagen, gar besiegen? Ich weiß es nicht. Und wenn: Hätte ich die Kraft? Braucht es dazu nicht zwei, die es beide wollen, die beide die Zeit besiegen wollen. Aber wie? Mit welchen Waffen? Ist das so einfach? Sicher nicht, ganz im Gegenteil.
    Zu dem Willen, dem gemeinsamen, muss etwas hinzukommen. Und ich wage es kaum auszusprechen. Ich wage es nicht niederzuschreiben. Denn was einem jungen Menschen wie selbstverständlich zuzufallen scheint, stellt sich mir heute wie ein Wunder dar: Zuneigung, Vertrauen, Zärtlichkeit. Liebe. In Freiheit! Du hast damals nicht darüber nachgedacht. Du hast es nie getan. Du hast Dir nie Klarheit verschafft, was das größte Mysterium des Lebens ist. Alles als selbstverständlich hingenommen. Wie leichtfertig Du warst, wie undankbar! Mein Gott, was muss ich tun, um mich zurückzubegeben zur Quelle, zu mir selbst? Wo bin ich, wie habe ich mich verloren? Habe ich durch meine Gedankenlosigkeit, durch meine Gleichgültigkeit, das Wunder verwirkt? Für immer?
    Mein Gott, ich war doch auch einmal jung, mit all der Sehnsucht und der Leidenschaft, die mich überfielen wie heißer Wind in der Wüste. Mein Vater hielt dagegen: Zügele Dich, wirf Dich nicht weg, bleibe kühl. Begib Dich nicht in Gefahren, die Du später bereust. Aber je mehr ich Vater gehorchte, umso mehr umfing mich der Rausch der Begehrlichkeit. Als ich Albert heiratete, später, tappte ich in die Ehe wie ein Blinder. War ich immer aufrichtig ihm gegenüber, zeigte ich mich ihm wie ich wirklich war? Nein, ich zeigte mich ihm so, wie es Vater mir auferlegt hat. War das nicht zu wenig? Habe ich nicht mich und ihn um etwas betrogen von Anfang an, was das Herzstück von Liebe ist: Vertrauen?
    Fragen über Fragen! Die Antwort liegt in der Zukunft. Kann ich neu anfangen? Kann ich ihn bitten, nach all den Jahren, nach dem Leid um Glorie, mit mir neu anzufangen? Mir zu vergeben, wo ich versagt habe. Mir neu zu vertrauen, wie ich ihm vertrauen will?
    Anton, unser eifriger Anton, hat sich angeboten, zu Lena hinauszufahren und seinem Vater ins Gewissen zu reden. Den alten Mann, wie er es sagte, zurechtzuweisen. Um Gottes Willen, er wird nur alles viel schlimmer machen, als es schon ist, nur noch mehr Porzellan zerschlagen. Ich habe ihn gebeten, von seinem Vorhaben abzusehen und sich lieber um Lori zu bemühen. Damit würde er seinem Vater die größte Freude bereiten. Nein, Albert muss er schon mir überlassen.
    Die Tage sind vergangen und Albert ist noch immer nicht zurück. Er ist jetzt eine kleine Ewigkeit bei Lena, und ich höre, dass Christie bereits abgereist ist. Sie besuchte Lori, bevor sie das Flugzeug nach Afrika nahm. Anton konnte sie vor ihrer Abreise sehen. Er berichtete mir, dass sie hinreißend ausgesehen habe. Er sprach überschwänglich von ihr. Und berichtete, wie Christie mit warmen Worten von ihrer Begegnung mit Albert erzählte. Anton wird sich doch nicht wieder in sie verliebt haben?
    Aber warum ist Albert noch auf dem Land? Was hat er dort verloren? Nicht mal ein Lebenszeichen von ihm.
    Aber ich will ihn zurück! Jetzt, wo Christie abgereist ist. Lena! Und Lena, die Milde, die Freundliche, die Anspruchslose, sie tut ihm offenbar gut. Nur wenige Male habe ich sie erlebt, aber die Erinnerung an sie ist fest in mich eingegraben: Mit ihrem geduldigen Verständnis, das angeblich nichts fordert. Sie, die zuhören kann. Anders als ich? Was habe ich dagegenzusetzen? Meine Pflege, ja. Aber ist die Sorge allein für den Körper genug? Die Seele verkümmert, die Einsamkeit wächst von Tag und Tag. Was habe ich ihm gegeben? War es genug? Er war mehr und mehr auf meine Hilfe angewiesen. Ich machte ihm deutlich, dass er nicht ohne mich kann. Aber ich bin nicht mehr die Einzige. Und er wird nicht zu mir zurückkommen, wenn ich ihm nicht zeige, dass ich ihn liebe. Das Band der Ehe ist über die vielen Jahre zur Gewohnheit geronnen, zum Zwang. Fort mit dem Zwang! Fort mit den Fesseln! Jetzt am Rande des Grabes meiner Schwester fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
    Lena ist jetzt meine

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