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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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du Schach?«
    Annabel schüttelte den Kopf.
    »Ich liebe es. Es ist wirklich ein besonderes Spiel. Es sieht so zivilisiert und harmlos aus. Dabei ist es viel brutaler, als den meisten klar ist. Wusstest du das?«
    Annabel glaubte nicht, dass er wirklich eine Antwort von ihr erwartete. Er wollte vermutlich nur das Eis brechen.
    »Nein«, sagte sie deswegen nur. Sie schaute hoch. »Darf ich Sie auch etwas fragen?«
    »Natürlich.«
    »Wie kommt es, dass ich noch nie von dieser Klinik gehört habe?«
    »Oh, das ist nicht ungewöhnlich. Wir sind sehr diskret, was unsere Arbeit betrifft. Das ist in unserer Branche allgemein üblich. Wenn du dieses Anwesen von außen betrachtest, siehst du nicht viel mehr als eine hohe Mauer und schöne Bäume.« Er lächelte. »Und was die Angehörigen unserer Patienten angeht – du musst verstehen, niemand spricht gerne darüber, dass jemand aus seiner Familie… wie soll ich sagen…«
    »Gaga ist?«
    »Ja, in der Tat. Und so erfahren die meisten erst von dieser Einrichtung, wenn sie selbst oder Menschen, die ihnen sehr nahestehen, unsere Hilfe brauchen. – Es ist doch so: Wenn sich jemand ein Bein gebrochen hat, ist es kein Problem, ihn im Krankenhaus zu besuchen, ihm alles Gute zu wünschen und etwas auf seinen Gips zu schreiben. Das machen die Leute gern. Aber… wenn die Seele eines Menschen verletzt ist… na ja, damit können die wenigsten richtig umgehen. Und so einfach in Gips packen können wir die Seele leider nicht. – Beantwortet das deine Frage?«
    »Ja.« Leider.
    »Gut. – Ich nehme an, du weißt mittlerweile, warum du hier bist. Weißt du auch noch, wie du hierhergekommen bist?«
    Annabel dachte an ihr Gespräch mit den Jungs und das, was sie verabredet hatten. Sie entschied sich für die Wahrheit. »Ich… ich habe keine Ahnung.«
    »Nun, in dem Bericht steht, du seist vorgestern am späten Nachmittag aus der Schule nach Hause gekommen und hättest deine Eltern nicht mehr erkannt. Sie haben uns erzählt, du hättest sie wie Einbrecher behandelt und immer wieder aufgefordert, das Haus zu verlassen. Dein Vater sei gezwungen gewesen, dich in ein Zimmer zu sperren, weil du hysterisch geworden bist. Aus diesem Grund hat euer Hausarzt dich zur Beobachtung und für weitere Untersuchungen an uns überwiesen. – Kannst du damit etwas anfangen?«
    »Nein, daran erinnere ich mich nicht.« Annabel wischte die feuchten Hände unauffällig an ihrer Hose ab und rutschte auf dem Stuhl hin und her.
    »Mach dir darüber keine Sorgen. In Extremsituationen spielt uns unser Gedächtnis gern mal einen Streich. Irgendwann wirst du dich wieder erinnern.«
    »Habe ich bei meiner Einlieferung eigentlich irgendwelche Medikamente bekommen? Vielleicht etwas, das…«
    »Lass mich mal sehen… ja, hier steht, dein Hausarzt hätte dir etwas zur Entspannung gegeben. Ein harmloses Mittel zur Beruhigung, damit du schlafen konntest.«
    Annabel spürte einen Kloß im Hals. Die Ruhe und Sachlichkeit, mit der Dr. Parker ihr den Fall darlegte, war für sie kaum zu ertragen. Nichts an ihm schien in irgendeiner Weise verdächtig und genau das zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Noch vor wenigen Minuten hatte sie geglaubt, mit ihr sei alles in Ordnung und nur die Umstände seien völlig verrückt. Aber jetzt fragte sie sich, ob es nicht genau andersherum war. »Wie lange muss ich hierbleiben?«
    »Weißt du, das hängt ganz von deiner Mitarbeit ab.«
    Was verstand er unter Mitarbeit? Medikamente schlucken wahrscheinlich.
    »Wie kommt es, dass außer mir noch drei andere Schüler ihre Eltern nicht mehr erkennen?«
    »Das ist eine interessante Frage, nicht wahr?«
    Dr. Parker schaute Annabel ein paar Sekunden lang schweigend an. »Versetze dich doch mal in meine Lage, Annabel. Was würdest du tun, wenn vier Jugendliche, die auf dieselbe Schule gehen, dir so eine Geschichte erzählen würden?«
    »Ich würde ihnen glauben?«
    Dr. Parker lachte. »Nein, bestimmt nicht. Du bist ein kluges Mädchen. Genau wie ich würdest du erst mal an einen Schwindel denken, an einen bösen Streich. – Und, Annabel? Ist es ein Streich?«
    Annabel fragte sich, ob der Spuk ein Ende hätte, wenn sie jetzt einfach Ja sagen würde. Ob er augenblicklich ihre falschen Eltern anrufen und sie aus der Klinik abholen lassen würde. Doch irgendein Gefühl sagte ihr, dass ganz egal, wie ihre Antwort auch ausfallen, dieser Mann sie so schnell nicht wieder aus dieser Anstalt herauslassen würde.
    »Nein«, antwortete Annabel. »Aber

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