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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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zweifelte er daran, dass der gute Doktor in allem die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht waren manche Lügen wirklich notwendig, um einen Patienten zu schützen und um die Hoffnung auf Heilung nicht sofort zu zerstören. Aber was, wenn noch etwas anderes dahintersteckte? Sie hatten einander versprochen, sich unauffällig zu verhalten und mit den Ärzten zu kooperieren, aber wenn er jemals so was wie eine innere Ruhe finden wollte, musste er sich über ein paar Dinge Gewissheit verschaffen. Und dafür musste er sich im Haus umsehen – alleine. Nachdem man ihn den ganzen Tag nicht aus den Augen gelassen hatte, war dies vielleicht seine letzte Chance.
    Michael sah sich weiter um. Bis jetzt hatte er hier ebenso wie in den anderen Untersuchungsräumen nichts Merkwürdiges oder Verdächtiges entdecken können. Das Zimmer mit Waschbecken, Liege, Hocker und einer gesicherten Vitrine, die allerlei Instrumente und Medikamentenschachteln beherbergte, sah völlig normal aus. Nicht gerade modern, aber zumindest sauber. Überhaupt war hier unten alles viel gepflegter und ordentlicher als im ersten Stock. Trotzdem wollte Michael wissen, wie es im Rest des Hauses aussah.
    Vorsichtig öffnete er die Tür und spähte hinaus auf den Gang. Direkt vor ihm befand sich eine von großen Fenstern durchbrochene Wand. Er konnte einen Arkadengang und Teile des dahinterliegenden Parks erkennen. Links von ihm und nur wenige Meter entfernt lag das Treppenhaus, ohne Sicherheitstür und für jedermann zugänglich. Michael dachte für eine Sekunde daran, einfach rauszuspazieren, als er vom anderen Ende des Flurs Stimmen hörte. Zwei Pfleger lehnten lässig am Tresen einer Rezeption und unterhielten sich mit einer Schwester, die dort in gestärkter Uniform und Häubchen ihren Dienst versah.
    Frustriert wollte Michael schon wieder die Tür schließen, als Eric aus einem der hinteren Räume spazierte. Er sah erschöpft aus und wartete scheinbar auf neue Anweisungen. Als Eric endlich in Michaels Richtung schaute, gab er ihm ein Zeichen. Eigentlich waren es mehrere und keins davon machte bei näherer Betrachtung Sinn. Dennoch schien Eric zu verstehen, denn kurz darauf lenkte er die Aufmerksamkeit der Pfleger und der Schwester auf sich. Michael sah noch, wie Eric sich in einer theatralischen Geste an den Kopf fasste und sich unerwartet in die Arme eines Pflegers fallen ließ, dann huschte er aus der Tür und hatte wenige Sekunden später das Treppenhaus durchquert.
    Auch hier, im östlichen Teil des Erdgeschosses, sah es aus wie in einem normalen Krankenhaus. Gebohnerter Boden, billige Kunstdrucke an den Wänden und eine Reihe orangefarbener Plastikstühle. Vor einer halb offenen Tür, aus der ein leises, hochfrequentes Summen zu hören war, blieb Michael stehen. Er sah vorsichtig in ein kleines fensterloses Zimmer. Fast dessen gesamte Breite wurde von einem stabilen Metallbett eingenommen. Daneben stand ein Tisch mit verschiedenen elektrischen Apparaten. Auf dem Bett lag ein blonder junger Mann in grauen Klamotten, an Armen und Beinen mit Lederriemen gefesselt. Auch sein Kopf war mit einem breiten Gurt fixiert. Er biss auf etwas, das aussah wie ein kleiner Hundeknochen. Seine schlanken Finger bewegten sich wie Spinnenbeine in der Luft und seine weit aufgerissenen Augen schienen Michael anzuflehen, ihm zu helfen. Michael war von dem Anblick wie hypnotisiert.
    Allerdings war da noch etwas, das ihn in den Bann zog: ein schwarzes Telefon. Es stand direkt neben den Apparaten und schien nur auf ihn gewartet zu haben. Michael sah den Gang rauf und runter. Niemand da. Beherzt trat er über die Schwelle und bekam fast einen Herzschlag, als ein ihm unbekannter Arzt plötzlich hinter der Tür auftauchte. Michael wich augenblicklich zurück. Der Mann war einen Kopf kleiner als er, trug eine dicke Hornbrille und hatte kurze, eng anliegende, fettig glänzende Haare.
    »Warte, bis du an der Reihe bist«, sagte er unfreundlich und schloss geräuschvoll die Tür.
    Das hätte auch schiefgehen können, dachte Michael und spürte noch immer das Adrenalin durch seinen Körper jagen.
    Der arme Kerl . Er hatte von solchen Behandlungen gehört und fragte sich unwillkürlich, was der Mann wohl für ein Problem haben könnte, das solch eine Therapie rechtfertigte. Und das Schlimmste: Er schien genau gewusst zu haben, was gleich mit ihm geschehen würde. Michael versuchte, das verstörende Bild aus seinem Gedächtnis zu löschen.
    »Michael?«
    Michael zuckte zusammen, drehte sich

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