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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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unvorhergesehenes Erlebnis verschlechtert. Das Risiko ist einfach zu groß. Auch deine Eltern möchten erst einmal nicht, dass du mit jemandem außerhalb der Klinik darüber redest. Über die Gründe haben wir ja vorhin gesprochen. Aber nächste Woche sieht die Sache sicher schon ganz anders aus. Versprochen.«
    Dr. Parker lächelte sie an, doch Annabel war zu enttäuscht, um seinen Blick zu erwidern. Ohne sich zu verabschieden, ging sie in Richtung Tür. Ihr Blick streifte dabei eine Reihe von fünf postkartengroßen Fotografien. Drei in Schwarz-Weiß, zwei in Farbe. Sie hingen, in schlichte Holzrahmen gefasst, links neben der Tür. Annabel hatte schon die Hand auf dem Türgriff, als ihr Blick abermals über die Bilder wanderte und mit einem Mal hängen blieb. Als wäre sie zu Eis erstarrt, stand sie da und konnte kaum glauben, was sie sah.
    »Ist noch was, Annabel?«
    Sie erschrak. »Was? – Nein, nichts. Mir ist nur ein bisschen schwindelig«, log sie. »Bin wohl zu schnell aufgestanden. Mein Kreislauf. Geht schon wieder.«
    Damit trat sie auf den Flur und schloss die Tür hinter sich. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die kühle Wand und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Ihr Herz raste und ihre Hände zitterten, als ein wahrer Energieschub ihren Körper durchströmte.
    Annabel wusste, dass es kein Zufall sein konnte, was sie eben entdeckt hatte. Und ihr wurde klar, dass sie einem entsetzlichen Irrtum unterlegen war.
    9
    Michael lag auf einer weißen Liege und sah zu, wie eine junge Schwester eine dünne Kanüle in seine Armbeuge stach. Routiniert füllte sie vier kleine Röhrchen mit seinem Blut. Anschließend versorgte sie die Wunde mit einem Pflaster.
    »Drück ein paar Minuten auf die Einstichstelle, dann gibt’s keinen blauen Fleck.«
    Die Schwester mit dem hübschen Namen Flowers sah eigentlich ganz niedlich aus, allerdings mochte Michael diese hochtoupierten Beehive-Frisuren nicht. Sie sahen aus wie festbetoniert und er hasste den penetranten Geruch des Haarsprays, der sie in Form hielt. Zum Glück kamen sie endlich aus der Mode. Er mochte es lieber, wenn Frauen ihr Haar ganz natürlich trugen – so wie Annabel.
    Die Schwester hatte die Proben in eine kleine Metallschale gelegt und blätterte in Michaels Krankenakte. »Eine Menge Untersuchungen. Aber wie ich sehe, hast du das meiste ja bereits hinter dir. Jetzt steht nur noch das Röntgen an. Du kannst draußen auf dem Flur warten, wenn du willst. Jemand bringt dich dann in den Keller.«
    Michael legte einen Arm auf seine Stirn. »Vom Blutabnehmen wird mir immer etwas schlecht«, sagte er. »Könnte ich noch ein bisschen hier liegen bleiben, bis es weitergeht?« Er lächelte charmant und traf bei der Schwester damit voll ins Schwarze.
    »Kein Problem«, sagte sie und erwiderte sein Lächeln. »Ich sag Bescheid, dass du noch ein bisschen brauchst.« Sie verließ den Raum und schloss die Tür, ohne sie abzuschließen.
    Michael richtete sich sofort auf, schwang sich von der Liege und kontrollierte das Fenster. Wie erwartet war es nicht nur vergittert, sondern auch verschlossen und genau wie im Aufenthaltsraum brauchte man offenbar einen Spezialschlüssel, um es zu öffnen. Die kleinen Klappfenster darüber waren zwar geöffnet, aber es war unmöglich, sich dort hindurchzuzwängen.
    Das Untersuchungszimmer befand sich im Erdgeschoss. Er sah eine Mauer und eine lange Kiesauffahrt, die vor einem mächtigen Eisentor endete. Er musste sich demnach an der Vorderseite des Gebäudes befinden. Rechts und links von der Auffahrt erstreckte sich ein parkähnliches Gelände. Direkt vor dem Haus gab es vier Parkplätze. Alle waren besetzt. Auf einem stand ein nagelneuer roter Jaguar E-Type mit offenem Verdeck. Vermutlich der Wagen von Dr. Parker. Die Geschäfte mit Irren scheinen gut zu laufen, was Doktorchen?
    Er schüttelte den Kopf. Das Grundstück war wirklich riesig und von einer hohen Mauer umgeben. Aber wie konnte das sein? Warum hatte er noch nie von dieser Anstalt gehört? Immerhin war er in Richmond aufgewachsen und kannte die Gegend wie seine Westentasche. Zumindest hatte er das immer geglaubt. Und warum durfte er niemanden anrufen? Dr. Parkers Erklärungen hatten sich plausibel angehört. Auch dass er sich bei ihm für seine Voreingenommenheit entschuldigt hatte und dass er inzwischen nicht mehr annehmen würde, sie hätten sich das alles nur ausgedacht, klang überzeugend. Es hatte Michael im ersten Moment sogar Mut gemacht. Doch inzwischen

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