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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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Schritte entfernt waren.
    »Hallo, Annabel«, sagte die fremde Frau.
    Der Klang ihres eigenen Namens ließ Annabels Blut gefrieren.
    »Hallo, Eric. Hallo, Michael«, sagten die beiden Männer.
    Die Fremden blieben stehen.
    »Woher kennt ihr unsere Namen?«, fragte Michael.
    Er erhielt darauf keine Antwort.
    »Wir möchten euch etwas schenken«, sagte einer der Männer.
    »Denn es ist kalt geworden«, sagte der andere.
    »Und es wird noch kälter werden«, sagte die Frau. Sie legte Annabel behutsam einen langen, warmen Mantel um die Schultern.
    Die Männer taten mit den Jungs das Gleiche. Sie wehrten sich nicht und ließen es geschehen.
    Die drei Fremden nickten ihnen zu. Und so still und leise, wie sie gekommen waren, verschwanden sie wieder im Nebel.
    »Sie kannten unsere Namen«, sagte Annabel und schlüpfte in die Ärmel ihres Mantels. Er war schwarz, besaß ein warmes Futter und einen rotbraunen Pelzkragen. Er fühlte sich gut an und warm und neu. Trotzdem hatte sie noch immer eine Gänsehaut. »Woher kannten sie unsere Namen?«
    Michael schüttelte nur ratlos den Kopf. »Ich glaube, es wäre weniger beängstigend gewesen, wenn sie versucht hätten, uns zu jagen. Aber das hier…«
    Als sie am Ende der Richmond Park in die Park Lane einbogen und auf das Ziel ihrer Reise blickten, schnürte es Annabel die Kehle zu. Sie hatte weder die Mauer noch das Haus jemals wiedersehen wollen. Doch jetzt waren sie hier, freiwillig, und sie fragte sich wieder einmal, ob dies nicht der endgültige Beweis dafür war, dass sie in Wahrheit doch verrückt waren.
    Unmittelbar vor dem großen Eingangstor der Anstalt blieben sie stehen.
    Die gewaltigen Eisenstangen des Tors erinnerten an tödliche mittelalterliche Speere. Und auch die Mauer kam ihr noch größer, noch unüberwindlicher vor als vor ein paar Tagen. Kalt und abweisend ragte beides vor ihnen auf. Es war kein Anblick, der einen willkommen hieß. Vielmehr schrie er ihnen zu, dass sie davonlaufen und sich in Sicherheit bringen sollten, solange sie noch konnten.
    »Ich weiß«, sagte Eric unvermittelt und Annabel hörte, wie seine Stimme zitterte, »ihr kennt mich nur als den tapferen, starken, gelassenen, unwiderstehlichen Eric, der ich nun einmal bin. Aber ich schwör euch: Wenn nicht gleich jemand meine Hand hält, mach ich mir vor Angst in die Hose.«
    »Gesprochen wie ein echter Held«, sagte Annabel und nahm seine klamme Hand in ihre. Sie hielt sie so fest, als wolle sie ein Stück Kohle zu einem Diamanten pressen.
    Dann streckte sie Michael ihre andere Hand entgegen. Und er nahm sie.
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    Eric rüttelte am Tor. Es klapperte und schwankte. Öffnen ließ es sich jedoch nicht.
    »Hier in der Mauer ist eine Gegensprechanlage«, sagte Michael und zeigte auf das in den Stein eingelassene, unscheinbare Stück Metall. Er drückte auf einen kleinen Knopf unterhalb der Schlitze für die Lautsprecher und sie warteten. Nichts geschah.
    Sie entdeckten ein verwittertes Schild mit der Hausnummer der Anstalt. »Nummer elf«, sagte Michael wenig überrascht. »Wer hätte das gedacht?«
    Annabel ruckelte an der schmalen Pforte rechts neben dem Haupttor und nach ein paar Versuchen sprang sie tatsächlich mit einem metallischen Klicken auf.
    Sie hatten gerade die ersten Meter auf der Kiesauffahrt zurückgelegt, da durchschnitt das unheimliche Gekrächze einer Krähe die Stille. Michael fuhr vor Schreck zusammen.
    »Verdammt noch mal!«, fluchte er und sah hinauf zu den Bäumen. »Die ganze Zeit hört man keinen Pieps – und jetzt das. Als hätte das Mistvieh nur auf uns gewartet.«
    »Es ist nur ein blöder Vogel, Michael.«
    »Ich weiß.« Michael hob einen Stock vom Boden auf und warf ihn wütend in die Baumkronen. Alles, was er damit erreichte, war ein neuerliches Gekrächze.
    »Wenn ich das mal kurz übersetzen darf«, sagte Eric. »Sie sagt, du wirfst wie ein Mädchen.«
    Michael nahm sich eine Handvoll Kies. »Ach, sagt sie das?«
    Eric suchte hinter Annabel Deckung.
    Annabel achtete nicht auf die beiden Jungs. Ihr machte etwas ganz anderes Sorgen.
    »Findet ihr das nicht komisch, dass kein einziger Patient im Park ist?«, fragte sie zögernd. »Es steht auch kein Auto vor dem Haus.«
    Michael ließ den Kies aus seiner Hand rieseln und wurde sofort ernst. »Du hast recht«, sagte er.
    Sie verließen die Auffahrt und gingen um das Gebäude herum bis zur Südseite. Annabel erinnerte sich noch an das saftig grüne Sommerkleid des Parks. Das war gerade ein paar Tage her. Nun trägt er

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