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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Aufmerksamkeit erregen, am besten tust du etwas Sinnvolles.«
    Wegen ihrer schweißnassen Finger rutschte Sara kurzzeitig der Kuli aus der Hand. Angst war etwas, das sie nicht gewohnt war. »Was ist pass ...«
    »Fahr vorsichtig, aber schnell.«
    Christian beendete das Gespräch. Nervös korrigierte Sara den Sitz ihrer Haarspange. Stets war sie auf der Jagd nach großen Erlebnissen gewesen, aber sie wusste, dass all ihre bisherigen »Abenteuer« im Grunde relativ harmlos gewesen waren. Die scheinbar gefährlichen Tauchausflüge waren sorgfältig und mit Bedacht geplant gewesen, und bei den Reisen in den Urwald, in die Reiche der Indianer, hatte sie jedes Mal einen ortskundigen Führer dabeigehabt.
    Jetzt aber war sie auf sich gestellt und völlig unvorbereitet. Christians Tonfall ließ außerdem keinen Raum für Spekulationen. In Kotor wartete eine reale Gefahr auf sie. Sara fing an, das Formular, das ihr die Angestellte der Mietwagenfirma gegeben hatte, auszufüllen.
    Der Luftzug der Rotorblätter wirbelte Coblentz die Haare durcheinander, während er der Rückkehr des Sikorsky auf den Helikopterlandeplatz von Bukovica zusah. Er hielt den Griff des Aluminiumkoffers fest umklammert, als er ohne sich zu bücken auf die Tür zur Passagierkabine zuging, die vor ihm aufgeschoben wurde.
    Coblentz stieg in die karge Kabine und schnallte sich an. Der Mann mit dem Helm, der auf dem Sitz des Copiloten saß, reichte ihm ein Headset, das Coblentz sogleich aufsetzte. Währenddessen nahm die Umdrehungsfrequenz der Rotoren wieder zu, und der Pilot ließ den Hubschrauber aufsteigen. Die Küstenfestung oberhalb des Steilhangs entfernte sich rasch.
    »Und?«, fragte Coblentz den Mann mit dem Helm durch sein Halsmikrofon. »Bis jetzt nichts.«
    »Sämtliche Verkehrsknotenpunkte müssen verschärft überwacht werden: Bahnhöfe, Autovermietungen, die Flughäfen von Tivat und Podgorica. Obwohl ich nicht glaube, dass er es nach draußen geschafft hat. Wahrscheinlich hockt er irgendwo in einem Winkel der Festung. Aber sicherheitshalber müssen wir von der Annahme ausgehen, dass ihm die Flucht gelungen ist.«
    »Was bedeutet das?«
    »Bis morgen früh wird Bukovica geräumt und gesäubert.«
47
    Christian saß bei Franjo und Vojislav im Wagen. Die Innenstadt von Kotor rückte näher. Er hätte gerne ausführlich er mit Sara gesprochen, aber wegen seiner Zuhörer war es nicht möglich gewesen.
    In Marelice hatten sie hastig eine fettige Pirogge verschlungen, und die lag ihm jetzt schwer im Magen. Der Oberarm schmerzte. Aber am meisten machte ihm die Angst zu schaffen, die Kassette am Busbahnhof von Kotor nicht zu finden.
    Franjo beobachtete ihn und schien seine Nervosität zu bemerken. Christian war sofort aufgefallen, wie intelligent und aufgeweckt Franjo war. Vojislav war hingegen kein Wort zu entlocken, und er erweckte in Christian so gut wie kein Vertrauen. Aufgrund seines breiten Wissens hätte Franjo Beamter oder Lehrer sein können, auch wenn er eher wie ein Offizier aussah. Er hatte Christian über den Luftkrieg der Nato ins Verhör genommen, aber Christians Bild beschränkte sich auf das, was er in der Zeitung gelesen hatte.
    »Du weißt doch, was Streubomben sind?«, fragte Franjo. »Die hinterlassen in einem großen Umkreis nicht explodierte Sprengkörper. Es sind praktisch Landminen, die durch Berührung hochgehen. Auch nach Jahren noch. Am schlimmsten aber ist die Tatsache, dass viele von den cola-dosengroßen Dingern grün oder orange sind. Zuletzt wollten in Leskovac Kinder damit spielen. Zwei starben, und eines verlor beide Arme.«
    Christian hörte an Franjos Tonfall, dass sie auf prekäres Terrain gelangt waren. »Haben Sie Kinder?«, fragte er.
    Franjo blickte durchs Fenster auf die Landschaft, die in der Dämmerung lag. Zwischen den Bergen tat sich ein schmales Tal auf, die Straße wurde besser.
    »Ja. Drei.«
    Christian bereute seine Frage, versuchte aber nicht, die Stille zu füllen. Ein rostiges Schild wies den Weg nach Kotor. Menschen waren entlang der Straße nicht zu sehen, nur grasende Kühe.
    »Nach dem Beginn der Bombardierungen habe ich meine Frau und meine Kinder nach Surdulica zur Schwester meiner Frau geschickt. Am 27. April bombardierte die Nato Surdulica und tötete meine Kleinen.«
    Christian schloss die Augen.
    »Constantine war drei, Aurelia sechs und Mariana acht. Meine Frau ist seitdem in der Psychiatrie. Insgesamt starben acht Erwachsene und zwölf Kinder. Hundertfünfzig wurden verletzt. Weißt du,

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