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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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übersät war. Christians gespannter Blick glitt über die schwarzen Ziffern auf den grauen Blechtüren. Sie fingen nicht bei eins an. Das äußerste Fach trug die Nummer 50, es folgten 51, 52, 53 ... Bei 70 war Schluss. Obwohl er sich auf eine Enttäuschung vorbereitet hatte, wollte Christian vor Verzweiflung laut aufschreien. Was blieb ihm jetzt noch übrig?
    Als er sich fassungslos umdrehte, bemerkte er hinter einer Ecke weitere Fächer: 71, 72, 73 ...
    Und schließlich als Allerletzte in der obersten Reihe die Nummer 80.
    Das Schließfach war in Gebrauch, der Schlüssel steckte nicht. Das war vielversprechend. Franjo blickte auf Christian und die Schließfächer. Christian schaute nach links zum türlosen Eingang. Eine rundliche Frau mit einem kleinen Mädchen, das Zöpfe trug, ging vorüber. Vojislav hielt in einiger Entfernung Wache.
    Christian spähte zu dem verglasten Schalter hinüber, aber dort war kein Bediensteter zu sehen. Auf einer Bank kämpfte ein Mann, der keine Haare mehr auf dem Kopf hatte, gegen den Schlaf. Niemand schien sich im Geringsten dafür zu interessieren, was in dem Bahnhofsgebäude vor sich ging.
    »Die Nummer 80«, flüsterte Christian und betete innerlich, dass er Sylvias Gedanken richtig deutete.
    Franjo untersuchte das Schloss eines anderen, offenen Schließfachs. Dann nahm er den Schraubenzieher aus der Tasche und ging zur Nummer 80.
    Christian stellte sich vor ihn und behielt mit pochendem Herzen die anderen Leute im Gebäude im Blick. Er überlegte, wie viel er Franjo erzählen sollte, falls das Schließfach das richtige war. Der Mann war ein echter Nato-Hasser, darum war Christian bereit, ihm einiges anzuvertrauen.
    Hinter sich hörte er ein starkes metallisches Knarren. Er drehte sich um und sah Franjo die Tür aufhebeln. Ungeduldig steckte Christian die Hand in das Fach.
    Die Plastiktüte lag darin. Schon durch das Plastik fühlte er die Form der Videokamera. Eine riesige Welle der Erleichterung hätte ihm beinahe den Boden unter den Füßen weggespült. Mit einem raschen Blick versicherte er sich, dass die Tüte enthielt, was er gesucht hatte.
    »Das hier ist der Beweis dafür, dass die USA in das Flugzeugunglück verwickelt sind«, flüsterte er auf dem Weg zum Ausgang. »Die Amerikaner werden alles tun, um die Kassette in ihren Besitz und mich zum Schweigen zu bringen.«
    Triumphierend trat Christian aus dem Gebäude und sah sich aufmerksam um. Eine große, blonde Frau war noch immer nirgendwo zu sehen. Er glaubte jedoch, den Mann von vorhin zu erkennen. Er stand mit dem Rücken zu ihm, sodass Christian sein Gesicht nicht sehen konnte - aber er sah, dass sich der andere schon wieder eine Zigarette anzündete.
    »Der Mann in der Lederjacke dort beobachtet uns«, sagte er zu Franjo. »Das Objekt geht mit einer Tüte in der Hand davon«, murmelte Nummer fünf mit dem Feuerzeug in der Hand in sein Mikrofon.
    »Sind Leute in der 'Nähe'?«, wollte Coblentz wissen.
    »Dutzende.«
    »Folgt ihm und schlagt an einer ruhigeren Stelle zu, falls wir nicht rechtzeitig vor Ort sein sollten.«
    Nummer fünf wandte leicht den Kopf und sah das Objekt auf den Bahnhofsvorplatz gehen. Nummer vier hatte aus dem eigenen Ohrhörer die Anweisungen von Coblentz vernommen und ging in einem Bogen in die entsprechende Richtung.
48
    Christian und Franjo bemerkten, dass der Mann in der Lederjacke ihnen folgte. »Wir gehen zusammen zum Wagen«, sagte Franjo leicht aufgeregt. »Dort sind die Waffen.«
    »Die Amerikaner haben mehr davon.«
    »Entscheidend ist der Wille zum Sieg. Die Nato mit ihren siebenhundert Millionen Einwohnern hat den Luftkrieg gegen elf Millionen Jugoslawen angefangen.« Sie passierten den ersten Bussteig.
    »Bis zum Auto ist es zu weit«, sagte Christian. »Sie werden die Kassette bei der ersten Gelegenheit an sich reißen.«
    »Das sollen sie mal versuchen«, knurrte Franjo. »Gib mir die Tüte.«
    »Das kann ich nicht. Da drüben ist ein Taxi. Lass uns dahin gehen.«
    »Nein. Das wäre dein Ende. Überlass uns das.«
    Vojislav berührte Franjos Arm und machte eine scharfe Kopfbewegung zu dem ausrangierten Linienbus.
    »Sie sind mindestens zu zweit«, sagte Franjo mit gesenkter Stimme. »Da drüben ist der andere.«
    Christian spürte Panik in sich aufsteigen, aber er durfte ihr nicht nachgeben. Auf einer Bank mummelte eine alte Frau mit Kopftuch Brotstücke aus einer Papiertüte und plapperte dabei vor sich hin, sodass zur Freude der Vögel Krümel auf den Boden fielen. »Ich muss

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