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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Christian explodierte Panik. Mit hämmerndem Herzen bewegte er sich rückwärts auf die Tür zu.
    »Der Bestand ist manipuliert worden und dadurch resistent gegen Medikamente...« Christian schloss die Augen. Einerseits hätte er am liebsten davonrennen mögen, andererseits hatte er die Luft in diesem Raum bereits eingeatmet; die Frage war lediglich, wie effektiv der HEPA-Filter seiner Maske wirkte und wie hoch die Belastung sein musste, damit es zu einer Ansteckung kam. Außerdem: Wohin sollte er denn gehen? Coblentz hatte ihn bewusst im Infektionsherd eingesperrt. Und damit zum Tode verurteilt.
    Diese Erkenntnis steigerte Christians Panik nicht, sondern minderte sie und half ihm sogar, allmählich wieder klare Gedanken zu fassen.
    Er sah Tinas Gesicht mit neuen Augen, konnte aber keine Hautveränderungen und keine Anzeichen für hohes Fieber erkennen. Er versuchte sich die Inkubationszeit von Variola in Erinnerung zu rufen. Wenn allerdings die Gene manipuliert worden waren, konnte es weder für die Inkubationszeit noch für sonstige Eigenschaften eine Garantie geben.
    »Wo hast du die Infektion her?« Der enge HEPA-Strumpf juckte an der Stirn. »Aus dem Flugzeug... Jacob Weinstaub arbeitete an einem geheimen Impfprogramm der Regierung ...«
    »Ich habe deine Kassette gesehen.« »Eine Abteilung bei der Armee ist für das Impfprogramm zuständig ...« Tinas Stimme wurde schwach. Christian trat näher an sie heran. »Weinstaub wurde gefeuert, wegen seiner Verbindungen zum Kult...« »Zum Neuen Morgen.«
    »Du weißt davon?« Tina versuchte den Kopf zu heben, aber mehr als wenige Millimeter schaffte sie es nicht.
    »Weinstaub wurde gefeuert«, wiederholte Christian. »Und dann?«
    »Er hat von seinem Arbeitsplatz einen manipulierten Bestand der Pocken mitgenommen ... Mit der Entwicklung dieses genmanipulierten Virus haben die Vereinigten Staaten sämtliche Abkommen gebrochen, die sie selbst unterschrieben hatten...« Tina versagte die Stimme, und die Augen fielen ihr zu. Auf ihrer Stirn glänzte der Schweiß.
    Christian biss sich auf die Unterlippe. »Warum hast du die Maschine abstürzen lassen?«
    Tina antwortete nicht. Ihre Augen waren geschlossen, sie war bewusstlos. Christian starrte auf ihren Brustkorb -er hob und senkte sich heftig.
    Christian ging langsam zur Tür. Coblentz wollte ihn töten, aber bereitete es ihm überhaupt keine Sorgen, dass die Kassette den Medien in die Hände geraten könnte? Nicht wenn er sicher sein konnte, dass dies nicht geschehen würde. Konnten die Amerikaner Sara ausfindig machen, weil Christian sie angerufen hatte? Möglicherweise.
    Diese Vorstellung war entsetzlich; sie traf Christian mit voller Wucht und löste große Wut und schwere Selbstvorwürfe in ihm aus. Coblentz hatte ihn ins Herz der Finsternis getrieben, damit er dort auf den Tod wartete - auf seinen eigenen und auf den von Sara.
52
    Der Lichtkegel des rostigen VW Golf erfasste die Silhouette eines Gebäudes mit steilem Dach, in dem eine Art Café oder Lebensmittelladen untergebracht war. Miko fuhr im strömenden Regen auf das Grundstück und parkte neben einem Bretterstapel. Etwas weiter weg lagen Armiereisen und anderes Baumaterial herum.
    Sara schaute auf die grün leuchtende Feldstärkeanzeige ihres Handys, um zu prüfen, ob sie noch Empfang hatte. Sie hoffte, Christian würde wieder anrufen und sie beauftragen, die Kassette doch nach Pjevac zu bringen. Das Stoppen des Auftrags auf Englisch war seltsam gewesen, und Sara überlegte ernsthaft, ob sie die Kassette nicht trotzdem den Journalisten übergeben sollte. Konnte es sein, dass Christian zu dem Anruf gezwungen worden war? Im Zusammenhang mit dem Unglück und der ganzen Situation gab es allerdings so viele Fragezeichen, dass es am klügsten war, vorsichtig zu agieren und jeden Schritt genau zu bedenken. Vorläufig wagte sie es nicht, gegen Christians ausdrückliches Verbot zu verstoßen.
    Sie schob das Handy neben die Kassette in ihre Handtasche und sah, dass im Regen ein Mann auf einem Moped saß und ein Bündel fest an seinen Körper drückte. »Was willst du haben?«, fragte sie Miko.
    »Nichts«, antwortete dieser in plumpem Englisch. »Hab keinen Hunger.« Sara nahm die Tasche über die Schulter und stieg aus. Die Regentropfen trommelten aufs Wagendach, das Moped brauste davon. An der Wand des Backsteinhauses leuchtete eine üppige Reihe weißer Gartenskulpturen. Im Schaufenster waren weitere kleine Skulpturen zu erkennen, dazu bunte Blumentöpfe und einige

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