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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Vorstellung, der Angehörige einer deutschen Luftfahrtbehörde könne etwas mit den Morden zu tun haben, veranlasste Christian, sich Sorgen um seine geistige Gesundheit zu machen. Wurde er langsam paranoid? Realistischer war da schon die Frage, ob Klein um diese Zeit im Rathaus oder im Hotel sein würde. Das zu entscheiden war ein Lotteriespiel. Das Hotel lag näher, weshalb Christian beschloss, zuerst dort nachzusehen.
    Wie als Kontrast zur Schroffheit der Berge lag vor ihm nun das sanft plätschernde, unendlich scheinende Meer. Christian sog die salzige Luft ein und eilte mit dem Pulsschlag äußerster Anspannung in den Adern dem Hotel entgegen. Das Adriatic war größer und in besserem Zustand als das Jadra, außerdem höchstens zwanzig Jahre alt. Offensichtlich hatte der Architekt in der Fassade die zerklüfteten Formen der Landschaft aufgreifen wollen. Christian näherte sich dem Hinterhof des Hotels durch eine Seitengasse und hatte bald den Geruch von Mülltonnen und Dieselabgasen in der Nase. Ein Lieferwagen fuhr gerade rückwärts an den Eingang zur Küche heran. Christian betrat umstandslos die Küche. Die ältere Frau, die am Herd hantierte, stellte ihm keine Fragen, auch der schüchtern wirkende junge Koch mit seiner schäbigen weißen Schürze nicht. Auf dem Tisch lag ein Sortiment scharfer Messer neben einem riesigen Haufen Frühstückswürstchen. Mehrere Tomaten waren auf den Fußboden gefallen, einige davon inzwischen zu einer roten, glitschigen Masse plattgetreten. Alles wirkte improvisiert und auf die Schnelle organisiert; das Hotel war nur mit wenigen Stunden Vorwarnung für die auswärtigen Gäste außerhalb der Saison geöffnet worden.
    Christian kam in einen Gang, an dessen Ende er den breiten Rücken des Angestellten an der Rezeption erkannte. Er wartete ab, bis ein ungeduldig wirkender Journalist seinen Zimmerschlüssel erhalten hatte und der Rezeptionist, der übertriebene slawische Gemächlichkeit ausstrahlte, frei war.
    »Verzeihung«, sagte Christian.
    Verdutzt drehte sich der Mann um und kratzte sich träge den üppigen Bauch. »Was wollen Sie?«
    »Ich habe etwas mit Herrn Klein zu besprechen, der hier wohnt, soweit ich weiß.« Christian bemühte sich um einen neutralen Tonfall, bemerkte aber am bohrenden Blick des Hotelangestellten, dass man ihm seine Vorsicht und Anspannung ansah. »Ich bin nicht befugt, Ihnen...«., nuschelte der Mann durch seinen pechschwarzen Walrossbart und streckte die Finger nach einem halb aufgegessenen Hähnchen auf dem Empfangstresen aus.
    Christian zog zwei Zehnmarkscheine aus der Tasche und schob sie dem Angestellten unauffällig zu. Dieser schnappte sich ohne zu zögern das Geld und ließ es in der Hosentasche verschwinden. Anschließend faltete er seine fettigen Hände, als wäre nichts gewesen.
    »Zimmer 42, er ist gerade nach oben gegangen«, murmelte er und widmete sich dann wieder seinem Hähnchen.
    Christian bedankte sich mit einem Nicken und ging zur Treppe mit dem ausgetretenen weinroten Teppich. Die Wände zierten schöne Seestücke. Im Foyer der vierten Etage saßen zwei Männer ins Gespräch vertieft in Sesseln. Sie redeten Deutsch. Auf dem Weg durch den Gang strich sich Christian die Haare glatt und richtete seine Kleider, auch wenn er wusste, dass ihm das kaum helfen würde, einen ernst zu nehmenden Eindruck zu machen. Der Zettel, der mit Klebestreifen an einer Zimmertür befestigt war, vertrieb jedoch seine Zweifel und gab ihm ein Gefühl der Sicherheit: »BUNDESSTELLE FÜR FLUGUNFALLUNTERSUCHUNG - FEDERAL BUREAU OF AIRCRAFT ACCIDENTS«. Christian nahm Haltung an und klopfte energisch an die Tür, die sogleich ebenso energisch geöffnet wurde.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte Christian auf Deutsch zu dem rothaarigen Mann, der mindestens ebenso müde und abgespannt aussah wie er selbst. Bevor er weiterreden konnte, zischte Klein: »Wer sind Sie?«
    »Ich habe Informationen, die mit dem Unglück zu tun haben«, sagte Christian leise und blickte nach rechts und links in den leeren Gang.
    »Ich wollte gerade gehen ...«
    »Ich garantiere Ihnen, dass meine Informationen interessant für Sie sind.« Christian drängte über die Schwelle. »Könnte ich kurz hereinkommen?«
    »Ich habe nicht viel Zeit«, erwiderte Klein, trat aber einen Schritt zurück, sodass Christian die Tür hinter sich schließen konnte. Der Mann hatte rötliche Augenbrauen und helle Wimpern. Er wirkte selbstsicher, ungeduldig und schien es tatsächlich eilig zu haben.

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