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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Gehirnzellen in seinem Kopf bestimmte sein Verhalten, sondern sein Herz und seine Moral. Er verfügte über Freiheit und Verantwortung.
    Das Flugzeug vibrierte, während es im Regen langsam auf die Startbahn zurollte. Durch das Fenster sah Sylvia die hellen Lichtreflexe und die Schatten auf dem nassen Asphalt. Die Tropfen auf der Scheibe verzerrten die Lichter am Rand des Flugfeldes. Sylvia schloss kurz die Augen. Die Nikotinsucht nagte an ihr. Sie war nass vor Schweiß und vom Regen, aber sie hatte die Maschine noch rechtzeitig erwischt. Schmerzlich war sie sich des jungen Paars neben ihr bewusst, das sich von den missbilligenden Blicken der Umwelt nicht beim Küssen stören ließ.
    Die Maschine kam am Beginn der Startbahn zum Stehen. Das Dröhnen der Motoren nahm zu, und die Sitze vibrierten immer stärker. Sylvia sah aus dem Fenster. Der Regen war noch dichter geworden. Auf einmal nahm der Motorenlärm ab. Aus den Lautsprechern wurde auf Serbokroatisch etwas mitgeteilt, was das Pärchen neben Sylvia dazu veranlasste, sich auf die Durchsage zu konzentrieren.
    Sylvia wurde wachsam. Die Mitreisenden schüttelten die Köpfe. In der Ferne waren Autoscheinwerfer zu erkennen. Eine junge Stewardess mit aufgestecktem Haar ging über den Gang, blieb zwei Meter vor Sylvias Sitzreihe stehen und kehrte dann in den vorderen Teil des Flugzeugs zurück, um mit ihrer Kollegin einige Worte zu wechseln. Sylvias Finger drückten tiefe Dellen in die gepolsterten Armlehnen.
    »Entschuldigung, was ist da los?«, fragte sie auf Englisch das Pärchen.
    »Ein technischer Defekt«, antwortete das Mädchen mit rissigen Lippen.
    Sylvia lehnte sich zurück. Die Maschine setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und fuhr in einem Bogen wieder in die Richtung, aus der sie gekommen war. Die Lichter der Startbahn blieben zurück. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgte Sylvia, wie sie sich dem bescheidenen Terminal näherten. Die grellen Scheinwerfer auf den Lichtmasten blendeten.
    Die Maschine hielt auf dem Platz an, den sie vor wenigen Minuten verlassen hatte. Sylvia sah durchs Fenster, wie eine Gangway an die Vordertür gerollt wurde. Vor dem Terminal stand ein normaler Pkw mit Blaulicht auf dem Dach. Die Türen des Wagens gingen auf, und drei dunkle Gestalten stiegen aus. Einer der Männer schlug den Kragen hoch und ging mit raschen Schritten durch den Regen auf die Treppe zu. Die beiden anderen folgten ihm auf dem Fuß. Sylvia ballte die Fäuste. Diese Männer, die vor Entschlossenheit strotzten, waren definitiv keine Mechaniker.
    Aus dem vorderen Teil der Maschine hörte man einen serbokroatischen Wortwechsel. Die Stewardessen blickten unsicher in die Passagierkabine, und wenig später drängte sich ein Mann mit schroffen Gesichtszügen an ihnen vorbei. Die beiden anderen folgten ihm wie Schatten. Der Anführer blieb im Gang stehen und richtete den Blick auf Sylvia. Sara sah sich in der Lobby von Lucs Hotel um. Auf dem hellen Steinfußboden stand eine Sitzgruppe, in der eine übergewichtige amerikanische Familie den Stadtplan von Cannes studierte. Das Hotel Univers war nichtssagend, aber sauber.
    Luc hatte Sara alarmiert und sie gebeten, sofort zu kommen, aber am Telefon nicht sagen wollen, worum es ging. Christian und das Unglück bereiteten Sara zusehends mehr Sorgen. Verbarg sich hinter Tina oder dem Neuen Morgen etwas, das mit dem Flugzeugabsturz zu tun hatte?
    Sara war aufgefallen, dass sich an diesem Tag keine Sektenmitglieder in der Nähe des Festivalpalastes aufhielten. Bisweilen hatte sie in Tina eine romantische Träumerin gesehen, die in einem Luftschloss lebte, aber dann wieder -vor allem wenn sie mit jemandem Streit hatte - konnte Tina auch ausgesprochen nervenstark und sogar hart sein. Wie auch immer, die Romantikerin mit der Teflonschicht hatte sich den zu analytischem Denken und kritischen Betrachtungen neigenden Christian geschnappt. Auch die Unvernunft konnte eben manchmal anziehend wirken. Aus dem gleichen Grund hatte Sara Christian verlassen. Nur hatte die Unvernunft damals den Namen Xavier getragen.
    Luc kam in die Lobby gerauscht. Wieder trug er seine Cordhose, das Tweedsakko und eine Sonnenbrille.
    »Setzen wir uns«, sagte er und steckte die Brille in die Brusttasche.
    Sie nahmen hinter den Amerikanern in zwei Sesseln Platz.
    »Laut Béa hatte Tina eine Zwillingsschwester namens Julia. Eine Heroinabhängige, die an einer Überdosis starb.«
    »Julia?« Sara starrte Luc an. »Sie erinnern sich doch noch an die

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