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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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seinem Kopf: Jacob Weinstaub. War er es, den Tina auf dem Videoband küsste?
    »Die Wegbeschreibung!«, sagte Coblentz.
    »Geradeaus.«
    Hinter der nächsten Anhöhe tauchten die ersten Häuser auf, dann füllten die Bucht von Kotor und die Bergkette, die sie einfasste, das Panorama aus. Nach und nach wurde die Bebauung dichter. An einer Hauswand standen einige Kinder, die Verstecken zu spielen schienen. In Christians Augen sah der Alltag in dieser Gegend nun unnatürlich, vor allem aber unerreichbar aus. Unaufhaltsam ging die Fahrt weiter zu dem Versteck der Kassette. Trotzdem war er seltsam gefasst und wartete nur auf eine Chance, zu handeln.
    »Wie geht es weiter?«, fragte Coblentz.
    Christian räusperte sich. »Nach der Baustelle rechts.«
    Das Auto passierte die bekannten Stellen und kam der Kassette immer näher. Christian hörte Sylvias schweren Atem hinter sich.
    »An der nächsten links.«
    »Die Straße endet hier«, sagte Coblentz.
    »Wir gehen zu Fuß weiter.«
    Der Fahrer parkte den Wagen am Straßenrand. Die Türen gingen auf, und feuchtkalte Luft strömte herein.
    »Du weißt, was passiert, wenn du versuchst, Dummheiten zu machen«, sagte Coblentz in neutralem, konstatierendem Tonfall zu Christian. Er strahlte weder Bedrohlichkeit noch Aggression aus, er sagte einfach, was Sache war.
    Christian stieg aus und schaute mit pochendem Herzen auf Sylvia. Neben dem Mann mit der Pistole wirkte sie unnatürlich ruhig. Sie lächelte Christian mit ihren geschminkten Lippen aufmunternd zu. Das war ihm unheimlich, darum gelang es ihm nicht, seinem versteinerten Gesicht ein Lächeln als Antwort abzuringen. »Tempo!«, sagte Coblentz. »Wir holen unauffällig die Kassette, dann fahren wir weiter.«
    »Wohin?«, wollte Christian wissen. »Was passiert danach?«
    »Wenn ihr seht, was auf der Kassette ist, werdet ihr verstehen, worum es geht.« »Und ihr werdet uns töten.«
    »Das wird nicht nötig sein. Wenn auf dem Band die Wahrheit zu sehen ist, werdet ihr den Mund halten, ohne dass wir es euch empfehlen müssen.«
    Coblentz' Worte machten Christian unsicher. Sagte er womöglich die Wahrheit? Er ging an der Seite des Amerikaners auf den Wald zu. Der ausdruckslose Mann mit der Pistole begleitete Sylvia, und Rockler ließ sich zurückfallen. Der vierte Amerikaner ging in einigem Abstand seitlich von ihnen. Sie waren auf Überraschungen gefasst.
    Immer wilder schössen Christian die Gedanken durch den Kopf. Jede Ungewissheit vergrößerte die Unsicherheit. Er hielt nach dem großen Felsbrocken und der abgestorbenen Fichte Ausschau. Der Moment für die endgültige Entscheidung stand unmittelbar bevor. Es pulsierte in seinen Schläfen, und die Handflächen waren feucht. Er blieb stehen. Sylvia sah ihn gefasst an, dann wandte sie den Blick ab. Christian konnte in ihrem Verhalten nichts anderes lesen als innere Sicherheit und Ruhe, was ihn sehr irritierte.
    »Tempo!«, sagte Coblentz erneut, nun schon ungeduldiger.
    Christian ging weiter, verlangsamte aber ständig den Schritt. Das feuchte Gras bog sich unter den Schuhen, Tropfen fielen von den Halmen auf die Erde. Christian konnte nichts anderes tun, als den Amerikanern die Kassette zu übergeben. Er sah bereits die Höhle hinter dem Wurzelgeflecht und unter dem Stein, ließ sich aber nichts anmerken, sondern ging ein Stück daran vorbei. Doch er wusste, dass es nichts mehr brachte, jetzt noch auf Zeit zu spielen, darum drehte er sich um, ging neben Coblentz in die Hocke und schob die Hand in die Höhle.
    Sie war leer.
    Christian erschrak und schob die Hand tiefer hinein. Das durfte nicht wahr sein! Nicht schon wieder.
    »Wir haben keine Zeit für Theater«, sagte Coblentz.
    Christian tastete mit beiden Händen in der Höhle und stand schließlich fassungslos auf. »Jemand hat sie weggenommen.«
    Coblentz nahm seinem Untergebenen die Pistole aus der Hand, drückte Sylvia den Lauf an die Schläfe und schaute Christian in die Augen. »Du hast zehn Sekunden Zeit, uns die Kassette zu geben.«
    Christian sah sich verzweifelt um. Die Stelle stimmte. Sein Blick hielt auf Sylvias ruhigem Gesicht inne. Fast unmerklich zwinkerte sie ihm zu.
    Sie hatte die Kamera mitsamt Kassette aus dem Versteck geholt.
    Sylvia hatte ihn hintergehen wollen - und jetzt war sie bereit zu sterben, um das Geheimnis zu wahren. Hatte sie gesehen, was auf der Kassette war? Warum stellte sie sich dem Tod?
    Rasch richtete Christian den Blick wieder auf die Bäume. Ein schwarzer Vogel flog von einem Ast

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