Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Computers suchte er nach Namen von Personen und Institutionen, die bei früheren Entführungsfällen geholfen hatten, Einigung mit den Geiselnehmern zu erzielen.
Der Hinweis darauf, dass sich jemand an Saaras und seinem Computer zu schaffen gemacht hatte, war ihm den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gegangen. Hätte er Johanna Vahtera etwas davon sagen sollen? Die Polizistin schien mit den Mordfällen voll ausgelastet zu sein.
Karris Blick fiel auf die Zeitschrift, die seiner Auffassung nach falsch herum auf dem Schreibtisch gelegen hatte. Warum hätte jemand seinem Haus einen Besuch abstatten sollen? Instinktiv blickte Karri sich um.
16
Johanna hatte alle Sinne geschärft. In dem ehemaligen Viehstall, der zum Büro umgebaut worden war, lag maskuliner Rasierwassergeruch in der Luft. Sie setzte sich auf das dicke Ledersofa und sah sich um, während Safari-Unternehmer Tomi Stenlund sein Telefonat beendete. Der Mann redete ein etwas ungelenkes, aber verständliches Englisch.
Scheinbar teilnahmslos saß Johanna da, doch sie beobachtete ihre Umgebung genau. Vor dem Mann auf dem Tisch lagen offenbar gelesene Nummern von ›Waffe & Wild‹, ›Welt der Technik‹, aber auch Boulevard-Erzeugnisse wie ›Schau hin‹ und ›Bitte lächeln‹. An der Natursteinmauer stand ein großer Breitbildfernseher mit separaten Lautsprechern, daneben ein Gestell mit DVDs: ›Full Metal Jacket‹, ›Black Hawk Down‹, ›Apocalypse Now‹. An der Wand hingen vergrößerte, gerahmte Fotos: ein Bär, aufrecht in der Morgensonne in einer Sumpflandschaft stehend, ein Fischadler, der vom Herbsthimmel der unbewegten Oberfläche eines Waldsees entgegenstürzte. Auf dem Kalender eines Herstellers für Motorschlitten stäubte der Schnee, während auf dem Poster einer Geländewagenfirma der Dreck spritzte.
Auf der gegenüberliegenden, weiß gestrichenen Wand prangten unter Spots die Köpfe von Tieren. Daneben hing das mehrere Jahre alte Werbeplakat eines englischen Reisebüros, auf dem für Flüge mit der Concorde ins exotische Lappland geworben wurde.
Um die Ankunft einer ausländischen Reisegruppe schien es auch bei dem Telefongespräch zu gehen. Stenlund sagte etwas von einem Husky-Gespann, dann beendete er das Telefonat.
Er stand auf und warf Johanna einen unfreundlichen, wachsamen Blick zu, der sie noch aufmerksamer werden ließ.
»Ich hab gemerkt, dass Sie sich das hier angeguckt haben«, sagte Stenlund mit einer Kopfbewegung in Richtung Werbeplakat und kam hinter dem Tisch hervor auf Johanna zu. »Eine von den Concordes hat ihren letzten Flug nach Rovaniemi gemacht, bevor sie auf Eis gelegt wurde.«
Der muskulöse Stenlund strotzte vor Testosteron und Selbstsicherheit. Aber Johanna spürte, dass die Fassade nicht ungebrochen war. Die soldatische Strenge wurde durch die zu langen Haare gemildert, die an den gekräuselten Spitzen heller geworden waren. Johanna konnte sich gut vorstellen, wie der Mann im Kraftraum Eisen stemmte.
»Das Geschäft scheint ja gut zu gehen«, sagte sie. Sie bemühte sich, ihrem Besuch einen möglichst inoffiziellen Anstrich zu geben. Kein Aufnahmegerät, keine Notizen.
»Wirkt vielleicht so, entspricht aber nicht der Realität. Jedenfalls noch nicht.«
»Keine Sorge, wir lassen nichts ans Finanzamt durchsickern«, sagte Johanna grinsend und setzte sofort nach: »Warum haben Sie übrigens heute Morgen gelogen, als Sie sagten, sie hätten Erja Yli-Honkila nur oberflächlich gekannt?« Bewusst hielt Johanna den Widerspruch zwischen ihrem leichten Tonfall und dem ernsten Inhalt ihrer Wort aufrecht.
»Wieso? Ich habe sie nicht besser gekannt.«
Nichts an der Miene oder der Körpersprache des Mannes deutete zunächst darauf hin, dass er log. Er saß gelassen da, die Hände auf den Oberschenkeln. Aber dann verriet eine kurze Bewegung zum Kinn seine Unsicherheit.
»Weshalb hatten Sie Streit?«, fragte Johanna.
»Was für einen Streit?«
»Ich rate Ihnen, ehrlich zu mir zu sein.« Aus Johannas Stimme und Gesicht war nun jede Wärme gewichen. »Wann haben Sie sich zum letzten Mal getroffen?«
»Ich kann mich nicht genau erinnern. Vor ein paar Wochen.«
Der selbstverständliche Tonfall des Mannes überraschte Johanna. Sie hatte damit gerechnet, es sogar gehofft, dass Stenlund abstritt, das Opfer getroffen zu haben. Aber das wäre denn doch zu einfach gewesen. Er wusste, dass die Polizei Bescheid wusste, und gab nun wie selbstverständlich nach.
»Wie oft haben Sie Erja getroffen?«
»Ein paar Mal. Ich habe
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