Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
mir von ihr Übersetzungen für die deutsche Version meiner Homepage machen lassen.«
»War sie auch hier bei Ihnen?«
»Nein … Doch«, korrigierte sich Stenlund. »Einmal. Sie brachte die Übersetzungen.«
Johanna war sicher, dass der Mann log.
»Warum hat Erja Sie am Freitag angerufen?«
»Hatte mit den Übersetzungen zu tun.«
»Es war ein langes Gespräch.«
»Es gab viel zu besprechen.« Stenlund sah Johanna ruhig in die Augen. »Sie hatte einige Ideen, was man alles auf der Homepage bringen könnte.«
Bislang hatte Johanna von Erja nicht den Eindruck gewonnen, sie könnte sich sonderlich für die Homepage-Gestaltung eines Safari-Unternehmens interessiert haben.
»Heute Morgen haben Sie keinen Grund gesehen, mir das zu erzählen?«
»Ich konnte ja nicht wissen, dass sich die Polizei für die Aktualisierung meiner Homepage interessiert. Wir haben die fremdsprachigen Texte ein bisschen verändert.«
Johanna hielt den Blick unverwandt auf das Gesicht des Mannes gerichtet. Besonders sympathisch war er ihr nicht gerade. »Wie viele Leute hier in der Gegend wissen, dass Sie wegen schwerer Körperverletzung an Ihrer ehemaligen Freundin zu einer Haftstrafe verurteilt wurden?«
Tomis Augen wurden schmal. »Niemand. Und ich hoffe, dass es dabei auch bleibt.« Plötzlich stellte sich bei ihm eine gewisse Demut ein, die man sich einen Moment zuvor noch nicht hätte vorstellen können.
»Hatten Sie eine Beziehung mit Erja Yli-Honkila?«
Stenlund lachte trocken auf. »Wir hatten ein paar Mal beruflich miteinander zu tun. Das kann man wohl kaum eine Beziehung nennen. Außerdem war die Frau nicht ganz mein Geschmack. Sie verstehen sicher, was ich meine?«
Der Tonfall und das schiefe Lächeln ließen Johanna sogar sehr gut verstehen, was er meinte. Die Antwort kam spontan und flüssig. Er war auf die Frage vorbereitet gewesen. Der Mann hatte damit gerechnet, dass das Thema irgendwann zur Sprache kommen würde.
»Und Ihre Meinungsverschiedenheit?«
»Ich habe doch schon gesagt, dass wir keinen Streit hatten. Falls Sie das meinen. Ich war mit ihrer Arbeit nicht zufrieden. Besser gesagt mit dem Zeitplan. Aber das hatte nichts mit Streit zu tun.«
Johanna sah, dass sie so nicht weiterkommen würde, darum beschloss sie, sich für dieses Mal mit Stenlunds Erklärung zufrieden zu geben.
»Ich komme auf das Thema noch mal zurück«, sagte sie und stand auf. »Sie waren auf der Hasenjagd. Dürfte ich Ihren Waffenschrank sehen?«
»Der steht hier«, sagte Stenlund und ging auf eine Tür im Vorraum zu.
Die Tür war dunkelbraun gebeizt, auf der Höhe des Schlosses hatte sie einen Sprung am Rand. Stenlund öffnete sie. Dahinter führte eine Treppe in den Keller. Die Wände waren dunkelgrau gestrichen. Stenlund grinste jungenhaft und ging die Treppe hinunter. Johanna fiel auf, dass die Augen des Mannes trotz des Grinsens seltsam ernst blieben.
Sie zögerte. Falls Stenlund die Ratte war, hatte Johanna allen Grund, vorsichtig zu sein, denn jetzt wusste er, dass er auf der Liste stand. Aber Johanna hatte ihre Dienstwaffe bei sich und außerdem den Kollegen mitgeteilt, wohin sie ging.
»Hier ist keine Folterkammer«, sagte Stenlund von unten. Seine Stimme hallte hart und metallisch von den Betonwänden wider. Johanna stieg die Treppe hinab und gab sich selbst einen Punktabzug dafür, dass der Mann ihr kurzes Zögern bemerkt hatte.
Ans Ende der Treppe schloss sich ein kurzer Gang an, den Stenlund durch eine Tür betrat, ohne innen Licht zu machen.
Johanna blieb stehen. Sie konnte kaum etwas sehen. Die Luft war muffig und feucht und erinnerte an einen verlassenen Kartoffelkeller, in dem alles Mögliche vergammelte.
»Hier ist die Glühbirne durchgebrannt, ich nehme die Taschenlampe«, sagte Stenlund. Versuchte er, seine Angespanntheit mit einem möglichst gelangweilten Tonfall zu überspielen?
Im selben Moment ging eine Taschenlampe an, deren Lichtkegel sich zu einer Ecke des kühlen Kellerabteils vortastete. Dort stand ein massiver Waffenschrank. An der Wand daneben hingen Plakate, auf denen Jagdgewehre abgebildet waren wie wollüstige Frauenkörper.
Johanna war unbehaglich zumute, und sie wusste, dass man dieses Gefühl immer ernst nehmen sollte. Trotzdem mochte sie sich nichts anmerken lassen und ging auf den Waffenschrank zu.
Stenlund zog den Schlüsselbund aus der Tasche. Er wirkte kein bisschen widerspenstig, aber Johanna spürte seine Anspannung, als er die Metalltür aufschloss. Männer wie Stenlund lebten
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