Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
viel. Der vor Gewalt überschäumende Hexenkessel im Nahen Osten war nicht der richtige Ort für Amateure. Nicht einmal für Profis.
Neben dem Haus begann das Waldstück, durch den der Fußweg führte, an dem Anne-Kristiina Salmi tot aufgefunden worden war. Deutlich kam Johanna Kohonens Gefasel am Fundort der Leiche in den Sinn. Und später hatte er sich zufällig gerade die Beine vertreten und dabei den Krankenwagen zu Leas Elternhaus fahren gesehen. Dann hatte er Stenlund am Telefon davon berichtet. Und Vuorio hatte er ebenfalls angerufen.
Vorsichtig ging Johanna auf das Haus zu. Es war ein kleines Holzhaus, der Anstrich war in schlechtem Zustand, überhaupt wirkte es verwahrlost. Nicht alle Fenster hatten Vorhänge. Nirgendwo brannte Licht.
Zögernd hielt Johanna inne. Was, wenn Marjatta Yli-Honkila Recht hatte? Wenn die Ratte in diesem Haus lebte?
Dann war Johanna gerade dabei, sich unnötig in Gefahr zu begeben. Mit einem Mann, der kaltblütig drei Frauen ermordet hatte, war nicht zu spaßen. Sie hätte Kohonen aufs Präsidium bestellen können, aber sie wollte ihn bei sich zu Hause sehen, in seiner eigenen Umgebung. Die sagte manchmal mehr als die Person, mit der man sprach.
Johanna klopfte laut. Drinnen rührte sich nichts. Sie wollte gerade noch einmal klopfen, als es doch im Flur polterte und die Tür quietschend aufging.
»Was ist?«, fragte Kohonen vorsichtig. Der nach Schweiß riechende, rundgesichtige Mann mit den roten Wangen trug ein kariertes Flanellhemd und Terylen-Hosen . »Ich hab doch schon alles …«
»Ich möchte noch ein paar Dinge überprüfen. Können wir reingehen?«
Kohonen wich zurück, und Johanna trat durch den Windfang in einen mit dunkelbraunen Fingerpaneelen verkleideten Flur, den eine Deckenlampe mit Plastikschirm erleuchtete. Ein bittersüßlicher Geruch stieg Johanna in die Nase, dessen Ursprung neben der Tür stand: ein Eimer, mehrere Zentimeter hoch mit Urin gefüllt, auf dem Kartoffelschalen schwammen.
Kohonen wollte Johanna ins Wohnzimmer lotsen, aber sie blieb an der Küchentür stehen. Überraschenderweise war die Küche sauber. Die altmodische Spüle blinkte zwischen den hellgrün gestrichenen Schränken, und an der Wand hingen genau ausgerichtet Pfannen, Töpfe und Kasserollen. Das Gewürzregal war zehnmal vielfältiger als bei Johanna zu Hause. Neben der Tür stand eine alte Holzkiste, und die Hinterwand wurde von einer funkelnagelneuen Kühl-Gefrierkombination beherrscht.
Johanna ging weiter in das enge Wohnzimmer, wo kalter Rauch sich mit einem abstoßenden chemischen, medikamentenartigen Geruch mischte. Ihr war unbehaglich zumute, als Kohonen die Tür hinter sich schloss und auf die senfgelbe Kunstledercouch aus den siebziger Jahren deutete.
»Was wollen Sie?«, fragte der Mann.
»Ein paar Auskünfte nur.«
Johanna legte sich eine Taktik zurecht. Marjatta Yli-Honkila hatte erzählt, Kohonen habe früher mal nebenbei als Hausmeister der Friedensgemeinde gearbeitet. Hauptberuflich war er Metzger im örtlichen Supermarkt gewesen. Der Mann war nicht »echt« religiös, hatte aber hin und wieder die Veranstaltungen der Laestadianer besucht, vor allem wohl wegen seines Jobs. Überraschenderweise war ihm aber dann auf beiden Arbeitsstellen gekündigt worden.
Kohonen war im Ferienzentrum der Laestadianer beim Spannen erwischt worden. Er hatte heimlich junge Frauen in der Sauna beobachtet. Bis ihn Erja, Anne-Kristiina und andere hinter der Sauna entdeckt und sich gefragt hatten, was er da eigentlich verloren hatte. An der Hinterwand der Sauna hatten die Mädchen eine Leiter stehen sehen. Die waren sie aus Neugier hinaufgestiegen, und da hatten sie im Dach ein Loch entdeckt, durch das man genau auf die Pritschen sehen konnte.
»Um der Mädchen willen« war das Ganze damals verschwiegen worden. Aber der Leiter des Supermarkts hatte Kohonen daraufhin gefeuert, weil er es sich mit den Laestadianern nicht verderben wollte. Seitdem war Kohonen arbeitslos, seit nunmehr dreizehn Jahren schon. Laut Marjatta Yli-Honkila hatte er Probleme mit der psychischen Gesundheit gehabt und auch entsprechende Medikamente bekommen. Einmal hatte er im betrunkenen Zustand blindlings im Wald um sich geschossen und deswegen eine Vorladung von der Polizei bekommen. Jarva hatte das bei einem Kollegen, der damals in Pudasjärvi gearbeitet hatte, überprüft. Unterlagen über den Vorfall existierten allerdings keine.
»Ich werde Ihnen auch Fingerabdrücke abnehmen«, sagte Johanna.
Kohonen
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