Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
Stimmengewirr in der Kabine nahm zu.
Ein Teil der Entführer befand sich noch immer im Cockpit. Einer von denen, die in der Kabine geblieben waren, postierte sich neben der vorderen Tür, ein anderer vor dem Notausgang in der Mitte. Sie standen über Funk miteinander in Verbindung. Alles wirkte geübt und entschlossen.
Die Fahrzeuge umringten die Maschine, und schwer bewaffnete Polizisten oder Soldaten sprangen heraus.
Wusste man in Finnland über die Geschehnisse Bescheid? War man von dort aus in der Lage, auf die Ereignisse hier Einfluss zu nehmen? Allein der Gedanke war lächerlich. In Minsk würde niemand die Finnen um Rat fragen. Hier wurde so vorgegangen, wie man es selbst für richtig hielt. Vermutlich würde man etwas Radikales versuchen. Aber das musste auch den Serben bewusst sein, warum also waren sie hierhergekommen? Johanna war entsetzt. Ein Sturm der Maschine bedeutete ein Massaker. Die weißrussischen Sondereinheiten würden die Geiseln garantiert nicht mit Samthandschuhen anfassen.
Die Stimmung bei der Polizeiführung in Helsinki wurde immer gespannter. Das Krisenzentrum im Außenministerium versuchte Kontakt nach Minsk herzustellen, wo der Airbus gelandet war, wie aus den Mitteilungen der Piloten hervorging und wie von dem Signal des versteckten Senders bestätigt wurde.
»Der rote Punkt dort ist unsere Maschine«, sagte Helste und zeigte auf den Computerbildschirm, auf dem eine Karte zu sehen war. Der Punkt befand sich auf dem Flughafen vierzig Kilometer östlich von Minsk, an der Autobahn, die nach Moskau führte.
»In dem Beutel, den wir im Flugzeug versteckt haben, befindet sich außer einer Waffe und dem Peilsender auch ein Funkmikrofon«, fuhr Helste fort. »Die Weißrussen könnten, wenn sie wollten, hören, was in der Passagierkabine vor sich geht. Die Reichweite ist nicht groß, zweihundert Meter, aber das dürfte kaum ein Problem sein. Man müsste ihnen lediglich die Frequenz mitteilen ...«
»Auf keinen Fall«, donnerte Polizeidirektor Nykänen los. »Wir sollten lieber alles tun, damit sie nicht irgendwelche operativen Maßnahmen gegen die Geiselnehmer ergreifen, solange die Geiseln in Gefahr sind. Die Serben haben jetzt bekommen, was sie wollten, neue Forderungen haben sie nicht gestellt, sodass sie logischerweise als Nächstes vorhaben dürften, sich abzusetzen. Wer in Weißrussland nimmt solche Fälle in die Hand?«, wandte er sich an den für internationale Angelegenheiten zuständigen Chef des Kriminalnachrichtendienstes bei der KRP. »Die Miliz, der KGB oder eine Spezialeinheit?«
»Ich schätze, eine Sonderabteilung des KGB. Sichere Kenntnisse darüber habe ich nicht.«
Der Polizeidirektor seufzte gequält. Wenn die Kooperation mit Moskau schon kompliziert war, wie wäre sie dann erst mit Minsk?
Erleichtert kehrte Timo aus dem Cockpit der Falcon zu seinem Platz zurück. Sie näherten sich als normaler Geschäftsflug dem Flughafen Minsk 2, wo laut Helste der Airbus gelandet war.
Timos TERA-Kollege David Maggot beendete gerade sein Telefonat mit der polnischen Zentralkripo.
»Die erste Streife hat bereits den Militärflughafen Bransk erreicht«, sagte er. »Natürlich ist nichts Auffälliges zu entdecken. Nur der Fallschirm liegt am Rand der Landebahn.«
»Mit wem hast du gesprochen?«
Maggot blickte auf die Unterlagen auf dem heruntergeklappten Tisch. »Mit Tomas Kowalski. Ist der Verbindungsmann zur TERA. Weitere Leute sind bald vor Ort.«
Überflüssigerweise, hätte Timo am liebsten hinzugefügt. Die Diamanten waren verloren. Aber am wichtigsten war dennoch, dass immer noch alle Chancen bestanden, die Geiseln zu retten. Sofern es gelang, mit den weißrussischen Behörden auf vernünftige Art und Weise zusammenzuarbeiten.
63
Eine perfekte Aktion! Marek glühte innerlich vor Genugtuung. Er fuhr in der Nähe von Lomza, westlich der Autobahn, nach Bialystok auf einer von wenigen Buchen gesäumten, unbefestigten Straße. Rechts und links kamen in der Morgendämmerung weitläufige Felder zum Vorschein. Ein kleiner Teil der Ehre gebührte natürlich Vasa, der auf die Idee gekommen war, seine Finnland-Operation mit Mareks Plan zu verbinden.
Marek bremste und bog in eine Einfahrt ein, deren morsches Holztor offen stand. Im Licht der Scheinwerfer waren Schuppen, ein großer Kuhstall und ein massiver Getreidesilo zu erkennen. Alles war leer. Die verlassene Kolchose glich einer einsamen, trostlosen Gedenkstätte aus der Ära des kommunistischen Polen.
Im grellen Kontrast zu
Weitere Kostenlose Bücher