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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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einem Lächeln in die Kamera. »Bist du noch da?«, fragte Jasmins Stimme im Telefon. »Ja. Und es ist gut, dass ich genau hier bin.«
    Johannas Blick sprang vom Fernsehschirm auf Vasas Gesicht. Der Mann hielt sein Telefon ans Ohr, sein Gesichtsausdruck war konzentriert, dabei aber entspannter als zuvor.
    Johanna bewegte sich in der Menge vorsichtig näher an Vasa heran, den Blick unablässig auf dessen Lippen geheftet. Sie hörte nicht genau, was er sagte, doch zusammen mit seiner Mundbewegung konnte sie es verstehen: »Ist rund um die Residenz etwas Besonderes zu erkennen?« Johanna begriff, dass die Person, mit der Vasa sprach, irgendwo in der näheren Umgebung sein musste. Sie musste Blickkontakt zur Residenz haben und somit die Möglichkeit, Vasa direkt über die Bewegungen und Maßnahmen der Polizei zu informieren.
    Langsam bewegte sich Johanna wieder in der Menge nach hinten. Sie musste noch einmal mit Helste sprechen. Aber ein zweiter Besuch auf der Toilette so kurz nach dem ersten würde Misstrauen erwecken. Allerdings war die Zahl der Geiseln so groß, dass ihr Verschwinden nicht unbedingt auffiele, jedenfalls nicht sofort.
    Johanna begab sich an eine Stelle, von der aus sie nur von zwei Geiselnehmern gesehen werden konnte, wenn sie nach hinten durch die Tür zum Staatssaal verschwand.
    »Entschuldige, ich brauchte deine Hilfe«, wandte sich Johanna an Heinonen. »Würdest du für einen Moment die Aufmerksamkeit der Serben auf dich ziehen? Frage sie etwas. Ich muss telefonieren, ich brauche zwei Minuten.«
    Heinonen nickte widerwillig, bewegte sich aber in der Menschenmenge nach vorne. Er blieb vor einem der Geiselnehmer stehen und fragte laut, was sie mit den Geiseln vorhätten.
    Sobald die Geiselnehmer ihre Aufmerksamkeit auf Heinonen richteten, huschte Johanna um die Ecke und weiter auf die Damentoilette.
    Mit einem Druck auf die Kurzwahltaste rief sie Hedu an. Sie hörte das Freizeichen.
    Antworte!, flehte Johanna innerlich.
    Schließlich meldete sich Hedus Stimme.
    »Jetzt ist es sicher«, flüsterte Johanna in den Apparat. »Sie haben draußen eine Person, die ihnen hilft. Mit Blickkontakt zur Residenz. Irgendetwas über Jasmin Ranta?«
    »Wir kriegen in Kürze die Verbindungsdaten ihrer Telefonate. Außerdem versuchen wir ihre Eltern zu erreichen. Die sind offenbar auf Reisen.«
    »Nimm dir Leute zur Unterstützung und ermittelt in der Richtung weiter. Das kann uns helfen, weiterzukommen.«
    Johanna beendete das Gespräch und legte das Handy in sein Versteck zurück. Dann verließ sie die Toilette und spähte um die Ecke. Heinonen hielt immer noch an seinem Auftritt fest, der die Serben wütend machte. Einer von ihnen schrie Heinonen an und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Johanna stöhnte auf bei dem Anblick, als wäre sie selbst getroffen worden. Sie huschte unbemerkt in die Menge zurück. Ihre Wertschätzung für den Minister war um mehrere Grad gestiegen. Heinonen kam taumelnd zu ihr und hielt sich die blutende Nase. Der russische Botschafter bot ihm sein weißes Taschentuch an. »Prima gemacht«, flüsterte Johanna dem Minister zu.
    »Hoffentlich bittest du mich kein zweites Mal um diesen Gefallen. Beim nächsten Mal dürfte nämlich eine Kugel fällig sein«, sagte er. Johannas Blick fiel auf den Fernsehschirm. Statt der Familienbilder waren jetzt ganz andere Aufnahmen zu sehen. Männer in Tarnanzügen rannten mit Waffen in der Hand über eine Anhöhe. Am unteren Bildrand waren finnische Untertitel aufgetaucht:
    »Der Kosovo wurde von Serben und Albanern bewohnt. Beide Volksgruppen hielten ihren Status für bedroht. Der Kosovo ist
    für die Serben und für die Albaner von großer historischer Bedeutung. Beide beanspruchen das Land für sich ...«
    Johanna war überrascht. Der Text machte einen ausgewogenen Eindruck. Diejenigen, die den Film gedreht hatten, waren nicht dumm, sondern hatten verstanden, dass reine Propaganda nur zu sofortiger Ablehnung geführt hätte, die Botschaft also verloren gegangen wäre.
40
    »Kommissar Helste«, sagte Vasa Jankovic am anderen Ende der Leitung.
    Zum ersten Mal redete ihn der Serbe mit Namen an. Helste stand in dem Bus, der als Einsatzzentrale diente. Auf den Bänken rund um die zusammengeschobenen Tische saß die Führung der KRP, der Schutzpolizei, der Sicherheitspolizei und der Polizei Helsinki. Sohlman war nicht da.
    Auf dem Bildschirm eines tragbaren Fernsehers fielen Bomben und zerstörten die Häuser in einer nächtlichen Stadt. »Die westliche

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