Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
befohlen, die Hände des Mannes am Duschhahn festzubinden, während er selbst die Fußgelenke des Schweden an den Bettpfosten fesselte. Den Vorhang hatten sie zugezogen. Gestreckt lag der Mann auf dem Boden, die Schwelle zum WC unter dem Nacken. Er schien zu ahnen, was auf ihn zukam.
»Scheißkerl«, zischte er auf Englisch. Es war das erste Wort, das aus seinem Mund kam.
Roni zog den Knoten fest zu und richtete sich auf. Durch das Schaukeln des Schiffes wurde ihm übel.
»Nimm dein Handy aus der Tasche«, sagte sein Vater.
Roni tastete nach dem Gerät. Das Verhalten des Vaters war eine seltsame Mischung aus Nervosität und Entschlossenheit, er schien gar nicht mehr er selbst zu sein.
»Dieses Telefon hier hat eine Aufnahmefunktion«, sagte der Vater auf Englisch zu dem Mann. »Ich will von dir jetzt wissen, wer Julia Leivo umgebracht hat. Du sollst bezeugen, dass mein Sohn unschuldig ist.« Ohne eine Reaktion abzuwarten, ging der Vater zum Bett, schnappte sich ein Kissen und riss den Bezug herunter. Der Mann versuchte sich wütend zu befreien.
»Vater, was hast du vor?«, fragte Roni schnell.
Ohne eine Miene zu verziehen, schob sein Vater dem Mann das Kissen unter den Nacken, legte ihm den Bezug übers Gesicht und nahm die Dusche aus der Halterung. Erst da fielen Roni die Zeitungsberichte über die Wasserfolter ein, die uralte, schon von den Jesuiten angewandte Verhörmethode, die von der CIA für die effektivste gehalten wurde. Beinahe ängstlich sah er zu, wie sich sein eigener Vater vor seinen Augen in einen fremden Menschen verwandelte. Der Mann auf dem Boden hatte aufgehört zu strampeln. Nur der weiße Kissenbezug hob und senkte sich in kurzen Abständen über den Nasenlöchern.
Der Vater legte die Hand auf den Duschhahn und sagte flüsternd zu dem Mann: »Dir ist sicherlich bekannt, dass Leute in Tests das Waterboarding durchschnittlich vierzehn Sekunden lang ausgehalten haben. Für dich ist das eine längere Zeit als für mich.«
Roni starrte seinen Vater wie paralysiert an. Der Mann lag still auf dem Boden. Einige Sekunden lang wartete der Vater ab, dann drehte er den Hahn auf und richtete den Strahl auf den Kissenbezug. Der Mann fing an zu toben, als hätte er den Verstand verloren, und warf den Kopf heftig nach rechts und links. »Halte sein Kinn fest«, kommandierte der Vater mit brechender Stimme. »Mit beiden Händen.«
Roni war nicht fähig, sich zu rühren. Der Kissenbezug war bereits klatschnass, und der Kopf des Mannes zuckte reflexartig und wie wild hin und her. Roni sah sich selbst im Spiegel, und der Anblick war entsetzlich. Was taten sie hier eigentlich ?
»Hast du gehört?« Das Gesicht des Vaters lief rot an. »Das fügt ihm keinen Schaden zu, erzeugt aber das Gefühl, zu ertrinken. Es löst Panik aus. Nun mach schon!«
Roni zwang sich, das Kinn des Mannes festzuhalten.
In dem Moment klingelte das Handy des Opfers.
Roni sah seinen Vater an, der weiterhin Wasser auf den Kissenbezug laufen ließ. Zwischen den Klingeltönen hörte man das hysterische, stoßweiße Atmen des Mannes.
»Schalt das Telefon aus«, flüsterte der Vater. »Schnell.«
Auf dem Kabinengang hob Nykvist vor dem immer argwöhnischer werdenden Makarin die Hand und spitzte die Ohren.
Sie hatten Hellevig vergebens auf Deck ausrufen lassen. Dann waren auf dem Handy-Display zwei Feldstärkenbalken aufgetaucht, und sie hatten die Nummer ihres Kollegen gewählt.
»Aus welcher Richtung kommt es?«, fragt Nykvist.
Die Männer standen schweigend da und versuchten, den gedämpften Klingelton zu orten, aber dann war er plötzlich weg.
Teros Hände zitterten, und ihm war schlecht, aber er hielt die Dusche über das Gesicht unter dem Kopfkissenbezug.
»Ich höre sofort auf, wenn du mit uns redest«, sagte er.
Durch das Scheuern des Hinterkopfs war Blut auf den Bodenbelag aus Kunststoff geraten. Roni kauerte mit glasigem Blick neben dem Waschbecken und hielt das Kinn des Mannes fest. Das war schwer, denn der Mann zappelte und verkrampfte sich. Tero schien es unmöglich, auch nur eine Sekunde lang weiterzumachen. Er richtete den Wasserstrahl auf die Seite und zog den Kissenbezug weg. Das Gesicht des Mannes war rot angelaufen, die Augen brannten vor Entsetzen.
»Wie lautet dein richtiger Name?«, fragte Tero.
»Andersson ... Johan Andersson«, antwortete der Mann keuchend. Tero schaute ihn an. Er glaubte nicht, dass der Name aus dem Führerschein der richtige war. Er fokussierte seine Gedanken auf Roni und Julia.
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