Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
Toomas saß am Computer und versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber das war schwer. »Toomas«, rief es aus dem Vorraum.
Ein kleiner, durch reichlich Nahrungsaufnahme faltenlos gebliebener Mann von fünfzig Jahren erschien in der Tür: »Hast du heute Abend etwas vor?« »Nichts Besonderes«, sagte Toomas. Er hatte vor langer Zeit schon gelernt, dass man Anatolis Anliegen am besten positiv begegnete, sofern es nur irgendwie möglich war.
»Grotenfelt möchte herkommen, nachdem er einen Besuch im Wochenendhaus eines alten Freundes gemacht hat. Vielleicht könntest du ihn dort abholen. Es ist in Askola, irgendwo in der Nähe von Porvoo.« Toomas versprach es, und Anatoli ging wieder eine Etage höher. Sie pflegten ein distanziertes und förmliches Verhältnis, und das war beiden recht.
26
Das Taxi hielt vor dem Alko-Laden im Vantaaer Stadtteil Tikkurila, nicht weit vom Flughafen entfernt. Tero und Roni stiegen aus und sprangen über Pfützen hinweg zum Eingang. Wegen einer technischen Störung hatte der Morgenflug von Malaga nach Amsterdam Verspätung gehabt, und sie hatten in Amsterdam in letzter Sekunde die Maschine nach Helsinki erwischt. Zu allem Überfluss hatte Marcus per SMS vorgeschlagen, die Sauna-Session auf ein andermal zu verschieben. Tero hatte geantwortet, das käme nicht infrage, sie hätten schon Holz gehackt und gerade mit dem Heizen begonnen. Marcus müsse wenigstens für ein paar schnelle Aufgüsse vorbeikommen. Beim Betreten des Ladens sagte Tero: »Du holst das Bier, ich den Schnaps.« »Den wird Marcus bestimmt nicht anrühren, wenn er am Abend noch einen Geschäftstermin hat.«
»Marcus ist keiner, der ins Glas spuckt, ganz gleich in welcher Situation.« Wenig später eilten sie zum Taxi zurück, dessen Fahrer den Kofferraum aufschnappen ließ, als er den Kasten Bier sah. Sobald sie wieder auf der Rückbank saßen, blickte Tero auf die Uhr. »Wenn wir nach Hause kommen, fahre ich sofort nach Askola und mache Feuer im Saunaofen. Du holst inzwischen Marcus vom Flughafen ab. Wir werden alles haarscharf schaffen.« Tero beugte sich zum Fahrer nach vorne. »Wir legen fünfzig Euro drauf, wenn Sie die Höchstgeschwindigkeit überschreiten.«
Der Taxifahrer ließ sich das nicht zweimal sagen und trat aufs Gaspedal. Es hatte aufgehört zu regnen, aber die Autos ließen feuchte Wolken vom Asphalt aufstieben.
Zufrieden verfolgte Tero das lebhafte Gespräch zwischen Marcus und Roni in der heißen Sauna. Durch das kleine Fenster schien das schwache Licht des Herbsttages herein, hinter den Birken schimmerte die unbewegte Fläche des Sees Tiiläänjärvi.
»Carlo kennt einen Mechaniker von Williams und behauptet felsenfest, die ganze Spionagegeschichte wäre inszeniert gewesen«, sagte Roni. »Der Leitung von McLaren vertraue ich mehr als der von Williams ...« Tero goss Marcus noch einen klaren Schnaps ein.
»Lass gut sein«, sagte der Schwede, wehrte aber nicht ab, sondern griff zum Glas. »Ihr Finnen seid verrückt... Skäll«
Roni trank keinen Alkohol - im Allgemeinen nicht und jetzt erst recht nicht. Sie hatten ausgemacht, dass er Marcus zur nächsten größeren Straße bringen sollte, wo ihn dann ein Mitarbeiter seines Geschäftspartners abholen und nach Helsinki fahren würde.
Marcus und Roni setzten ihr Gespräch über den Motorsport fort, und Tero sagte, er gehe noch etwas Bier holen. Er schlüpfte aus der Sauna, schloss sorgfältig die Tür und war mit wenigen Sätzen bei Marcus' Jacke, die im Vorraum am Haken hing. In der Tasche steckte ein Kalender mit Adressenverzeichnis. Rasch blätterte Tero die Seiten durch. Die Namen und Telefonnummern sagten ihm nichts, und er fand auch sonst nichts in dem Büchlein, das man als Schließfachcode hätte deuten können. Tero zog aus der anderen Tasche das Portemonnaie hervor und sah hastig dessen Inhalt durch. Er hörte, wie in der Sauna geredet wurde. Auch das Zischen eines neuen Aufgusses war zu vernehmen. Schnell durchsuchte er die Taschen der Hose, die ordentlich über einem Stuhl hing, fand aber nur einen Schlüsselbund. 90
Teros Unruhe wuchs. Sogar Marcus' Schuhe nahm er genau unter die Lupe. Dann griff er nach dem Gürtel und prüfte, ob dieser innen eine mit Reißverschluss versehene Geheimtasche hatte, in der man ein Stück Papier verstecken konnte.
Nichts.
Hatte Marcus den Code also doch nicht dabei? Tero spürte, wie ihm flau wurde. Die Unterhaltung in der Sauna nahm an Lebhaftigkeit zu, inzwischen ging es um die Frage,
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