Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
machen müssen: Einerseits durfte er keine Details der Ermittlungen preisgeben, andererseits musste er möglichst viel von dem erfahren, was Julias Eltern womöglich wussten. Aber normalerweise erfuhr man nur dann etwas, wenn man auch selbst etwas erzählte.
Er seufzte tief, bevor er sich einen Ruck gab und auf die Türklingel drückte. Kimmo schaute besorgt auf seine Frau, als es läutete. Sirje war blass und müde, Kimmo hatte Mitleid mit ihr.
Er öffnete die Tür und ließ Rahnasto ein.
Der Polizist hatte eine Stunde zuvor angerufen und seinen Besuch angekündigt. An seiner Miene konnte man nicht ablesen, ob er gute oder schlechte Neuigkeiten mitbrachte.
»Wie kommen Sie mit den Ermittlungen voran?«, fragte Kimmo, sobald sie sich gesetzt hatten.
»Hat Julia jemals über Valtteri, Roni Airas' Stiefbruder, gesprochen?«, fragte Rahnasto.
Verdutzt warf Kimmo einen Blick auf Sirje, dann wieder auf Rahnasto. »Das muss ein Missverständnis sein. Ein schweres Missverständnis ...« »Es würde mir sehr helfen, wenn Sie meine Frage beantworteten.« 85
»Nein. Sie hat nur von Roni gesprochen«, sagte Kimmo gereizt. »Was veranlasst sie, diesen Valtteri zu verdächtigen?«
»Aus ermittlungstaktischen Gründen kann ich nicht ins Detail gehen. Aber Valtteri hatte sich am Tatabend das Auto seines Stiefbruders geliehen. Und am Tag vor der Tat hat er eine SMS an Julia geschickt.«
»Was für eine SMS?«, rief Kimmo beinahe.
»Eine Nachricht, die Julia warnen sollte.«
»Warnen?«, fragte Sirje, die aus ihrer Starre zu erwachen schien. »Wovor?« »Das ist eben die Frage. Valtteri nimmt Drogen. Eventuell ist er auch in irgendeiner Form in den Handel mit Drogen involviert. Die Warnung könnte jedenfalls etwas damit zu tun haben. Andererseits ...«
Rahnasto schien abzuwägen, was er als Nächstes sagen sollte.
»Ja?«, fragte Kimmo unruhig. »Was andererseits?«
Rahnasto zog etwas aus der Innentasche seiner Jacke.
Kimmo betrachtete das kleine Foto in dem Plastikbeutel, den Rahnasto in die Höhe hielt.
»Wissen Sie, wie Valtteri an dieses Bild gekommen ist?«
Kimmo starrte bestürzt auf das Foto seiner Tochter. Sirje brach in Tränen aus, stand auf und verschwand im Schlafzimmer.
Kimmo nahm das Bild in die Hand, das außergewöhnlich gut gelungen war. Besser konnte man Julia nicht treffen.
»Wo kann er das herhaben?«, fragte Rahnasto noch einmal.
»Keine Ahnung.« Kimmo bemerkte, wie seine Stimme vor Hass verzerrt war. »Wann und wo ist das Bild gemacht worden?«, wollte Rahnasto wissen. »Letztes Jahr in der Schule. Julia mochte es selbst. Wo haben Sie das her?« »Wir haben es in der Wohnung von Valtteri gefunden.«
Sirje kam wieder ins Wohnzimmer zurück, nachdem sie sich einigermaßen gefasst hatte. »Julia hat diese Bilder nur ihren besten Freunden gegeben«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Und Valtteri hat Ihrer Einschätzung nach nicht dazugehört?«
»Natürlich nicht«, sagte Sirje. »Vielleicht ist er durch Roni an das Bild gekommen. Roni könnte es durchaus gehabt haben ...«
Kimmo starrte noch immer unverwandt das Foto an. »Kann es sein ...« Er suchte gegen den aufsteigenden Zorn nach Worten. »Kann es sein, dass Valtteri auf Julia irgendwie ... fixiert war?«
»Vorläufig ist es schwierig, dazu etwas Genaueres zu sagen.« Rahnasto streckte die Hand in Kimmos Richtung aus. »Wir brauchen das Foto noch.« Kimmo gab es langsam zurück. »Was hat dieser Valtteri beim Verhör gesagt?« »Das bestärkt ja gerade unseren Verdacht: Wir haben noch immer keinen Kontakt zu ihm aufnehmen können. Er ist verschwunden.«
»Sie haben anscheinend handfeste Beweise gegen ihn?«, fragte Kimmo. Rahnasto stand auf. »Sagen wir so: Wie es aussieht, können wir den Fall dem Staatsanwalt übergeben.«
Kimmo brachte Rahnasto zur Tür und fragte leise: »Hatte Julia auch etwas mit Drogen zu tun?«
»Das wissen wir noch nicht. Aber eventuell müssen wir uns darauf gefasst machen. Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
Kimmo schloss langsam die Tür hinter dem Kriminalbeamten. Als er sich umdrehte, begegnete er dem untröstlichen Blick von Sirje, die in der Tür zum Wohnzimmer stand.
Kimmo ging zu ihr und nahm sie in den Arm.
»Dieser Scheißkerl«, sagte er mit bebender Stimme. »Ich bringe ihn um. Ich werde ihn finden und mit meinen eigenen Händen erwürgen.«
»Ich halte das alles nicht mehr aus.« Sirje fing an, hysterisch zu schluchzen, und befreite sich aus Kimmos Armen.
Kimmo blieb eine Weile reglos
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