Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
halbe Etage nach unten und kamen in den Schließfachbereich.
»Bitte warten Sie hier«, sagte der Bankangestellte und wies auf eine abgetrennte Ecke, in der ein Tisch und zwei Sessel standen. Es gab mehrere solcher mit Trennwänden geschaffenen Nischen.
Tero setzte sich und sah zu, wie der Angestellte die schwere Tür zum Tresorraum öffnete. Unruhig und ohne etwas wahrzunehmen blätterte Tero eine Broschüre durch, in der Anteile an exotisch wirkenden Anlagefonds offeriert wurden. Seine Gedanken waren bei dem, was Toomas gesagt hatte. Wer waren »sie« ? Warum hatte jemand Julia umbringen wollen ? Der Angestellte kam mit einem Behälter aus Metall zurück. Tero konnte sich vor Neugier kaum beherrschen.
Diskret zog sich der Bankangestellte zurück.
An der Vorderseite des Metallkastens war eine kleine Zahlentastatur angebracht. Tero tippte den Code ein, und ein grünes Lämpchen im Deckel leuchtete auf.
Ohne einen Moment zu zögern, öffnete Tero den Behälter. Darin befand sich nichts weiter als ein dickes, aber leichtes Kuvert. Er verstaute den gepolsterten Umschlag in seinem Aktenkoffer, schloss den Behälter und stand auf. Er wollte den Umschlag öffnen. Sofort.
Zur gleichen Zeit erschien ein grauhaariger Mann mittleren Alters in der Schalterhalle der Bank. Wegen des schwarzen Rollkragenpullis unter dem Sakko und der ockerfarbenen Hose mochte man bei seinem Anblick an einen Architekten denken. In aufrechter Haltung trat der Mann zielstrebig an einen Schalter.
»Ich möchte gern an mein Depot«, sagte er auf Englisch.
Die Angestellte nahm den Zettel, den ihr der Mann reichte, und tippte die Nummer in den Computer. Verdutzt starrte sie auf den Bildschirm. »Hier heißt es, dass dieses Depot gerade erst aufgesucht worden ist.« »Was wollen Sie damit sagen?«
Die Frau las den Eintrag ihres Kollegen auf dem Bildschirm. Sie blickte auf und sah denselben Kollegen neben der Treppe zum Schließfachbereich einem Kunden im Anzug die Hand geben. In dem Moment begriff sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte, aber es war schon zu spät: Der Mann vor ihr folgte ihrem Blick.
Er nahm den Zettel vom Schalter. »Ich komme später wieder.«
Der Kunde, der gerade am Depot gewesen war, verließ mit einem Aktenkoffer in der Hand die Bank. Der Grauhaarige folgte ihm mit forschen Schritten. Tero eilte zu dem Renault Megane Sport, den er am Flughafen in Genf gemietet und vor dem Uhrengeschäft geparkt hatte.
Er setzte sich ans Steuer, legte den Koffer auf den Sitz neben sich, beschloss aber, sich den Inhalt des Schließfachs erst im Hotel anzuschauen, das war sicherer. Was konnte in dem Umschlag so Wertvolles sein, dass Toomas es unbedingt in seinen Besitz bringen wollte?
Tero fuhr los. Als er die steile, gewundene Straße hinauffuhr, blickte er intuitiv in den Rückspiegel. Toomas hatte es ernst gemeint, als er vor »ihnen« gewarnt hatte-wer immer »sie« auch sein mochten.
Jonas Hellevig fuhr in seinem MercedesKombi die steile gepflasterte Straße hinauf. Oben angelangt, bremste er abrupt. Der Renault war nirgendwo zu sehen.
Hellevig rieb sich das massive Kinn und analysierte rasch die Lage. Rechts war eine Einbahnstraße mit Wohnhäusern, geradeaus kam ein Parkplatz, also musste das Auto links abgebogen sein, in die Straße, die zum Ufer hinunterführte.
Fluchend lenkte Hellevig den Wagen nach links und raste die schmale Straße hinunter, dicht an den parkenden Autos vorbei.
Als er eine von hohen Mauern und cremefarbenen Gebäuden gesäumte Kreuzung erreichte, konnte er gerade noch sehen, wie der Megane rechts die Straße hinauffuhr. Es war eine noch schmälere, gepflasterte und gewundene Einbahnstraße, in die nun auch Hellevig fluchend einbog.
Tero trat aufs Gaspedal und wechselte mit einer kontrollierten Lenkbewegung schnell die Spur.
Wieder blickte er in den Rückspiegel und sah, dass ein weinroter MercedesKombi der C-Klasse ihm hartnäckig folgte. Wenn er sich nicht irrte, hatte er das Auto schon vor der Bank gesehen.
Tero konzentrierte sich auf die Straße. Die Einfahrt zum Hotel kam überraschend, beim ersten Mal wäre er fast daran vorbeigefahren. Hellevig hielt den Blick auf den Megane gerichtet, der einige Fahrzeuge vor ihm flink vorwärtskam.
Plötzlich setzte der Megane-Fahrer den Blinker und scherte auf eine schmale Parkfläche aus, die zu einem etwas weiter oben am Hang liegenden Hotel gehörte. Hellevig bremste, musste aber vorbeifahren, damit ihn der Fahrer des anderen Wagens nicht sah. Er sah,
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