Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
Tod. Was pathetisch geklungen hatte, erhielt nun eine nüchterne, reale Bedeutung.
Jetzt hörte man mechanische, metallische Geräusche an der Tür. Für einen Moment erstarrte Tero vor Angst. Der Mann manipulierte das Schloss, obwohl er wusste, dass jemand im Zimmer war ...
Tero schnappte sich sein Handy, begriff aber sogleich, dass es ihm nichts nützen würde.
Wieder knirschte das Schloss. Tero legte die Sicherheitskette vor. Kaum hatte er sie verankert, ging die Tür auf und wurde von der straff gespannten Kette auf Spaltbreite gehalten.
Tero schaute einem großen Mann mit verblüffend ernster, abweisender Miene ins Gesicht. Der Mann schien etwas älter als Tero selbst, trug einen schwarzen Rollkragenpulli und ein schwarzes Sakko.
Ohne zu zögern, drückte Tero die Tür zu und sprang in die Zimmermitte zurück. Erneut rasselte und knirschte das Schloss.
Tero stand mitten im Raum und gab sich Mühe, trotz der Panik vernünftig zu denken. Da wurde die Tür erneut aufgedrückt und die Sicherheitskette mit einem Ruck heftig gespannt und gleich darauf noch einmal.
Tero nahm das Kuvert, eilte zum Fenster, öffnete es schnell und schaute auf den kleinen, von einer Mauer eingefassten Hinterhof, in dem keine Autos, nicht einmal Müllbehälter standen. Er blickte zur Seite und sah ein weißes Regenrohr aus Blech.
An der Tür knirschte es Unheil verkündend metallisch. Tero schwang ein Bein nach draußen und registrierte, dass auf dem Fernsehbildschirm noch der Text über die Taucher bei der Estonia geöffnet war. Daran war jetzt nichts mehr zu ändern und auch nicht daran, dass der Aktenkoffer zurückblieb, der zum Glück nichts Wichtiges enthielt. Tero klammerte sich mit beiden Händen und mit den Füßen an das Regenrohr. Die einzelnen Elemente des Rohrs waren mit Draht verbunden, dessen scharfe Enden sich in seine Handflächen bohrten. Trotz des Schmerzes ließ er sich langsam nach unten rutschen. Auf der Erde angekommen, hörte er etwas scharf und kurz an sich vorbeizischen. Er sprang zur Seite und schaute nach oben. Aus dem Zimmer seines Fensters lugte der Mann und richtete eine Waffe auf ihn. Tero rannte mit wenigen Schritten zu einer Tür unter einem kleinen Vordach. Er drehte den Knauf, aber die Tür war verschlossen. Es war der einzige Ausweg aus dem ummauerten Hof.
Tero hämmerte gegen die Tür und stellte sich vor, wie der Mann mit der Waffe bereits die Treppe hinunterrannte. Er hob die Metallvase an, die als Aschenbecher auf der Erde stand, zerschlug damit unumwunden die Scheibe in der Tür und griff durch die Öffnung nach der Klinke.
Er schob sich in einen kleinen Vorraum, wobei er befürchtete, jeden Augenblick die Waffe und die abweisenden Augen des Schützen vor sich zu haben. Er rannte zur nächsten Tür. Sie öffnete sich, bevor er noch an die Klinke gegriffen hatte.
»Was ist hier ...«
Tero stieß die Hotelangestellte zur Seite und rannte an ihr vorbei. Die Frau rief ihrer Kollegin etwas zu, Tero sah vor sich Koffer und Reisetaschen und begriff, dass er sich im Gepäckraum hinter der Rezeption befand. Ohne sich um die Rufe der Rezeptionistin zu kümmern, rannte er an der Theke vorbei nach draußen, zog im Laufen die Schlüssel aus der Tasche und sprang in dem Moment in sein Auto, als der Mann mit den grauen Haaren aus dem Hoteleingang gelaufen kam.
Tero trat aufs Gas und fuhr hupend auf der schmalen gepflasterten Straße davon. Erst als er Lenkrad und Schaltknüppel umfasste, merkte er, dass seine Hände voller Blut waren.
Toomas wurde davon wach, dass mehrmals leise sein Name genannt wurde. Er öffnete die Augen und sah einen Mann mit weißem Kittel und Brille neben dem Bett stehen und sich über ihn beugen.
»Gut, dass Sie wach sind. Wie fühlen Sie sich?«
Toomas hatte einen trockenen Mund. Mit einigen Sekunden Verzögerung antwortete er: »Ich bin müde ...«
»Sie haben ein starkes Beruhigungsmittel bekommen.«
Der Arzt musterte ihn kritisch. Toomas schloss die Augen.
»Ich muss Sie etwas fragen«, sagte der Mann leise. »Warum haben Sie die Schwester gebeten, allen Leuten, die Sie erreichen wollen, mitzuteilen, Sie wären tot?«
Toomas hielt die Augen geschlossen und versuchte sich trotz der Erschöpfung zu konzentrieren. Bevor er antworten konnte, fuhr der Arzt fort: »Sie werden sicherlich verstehen, dass wir so auf keinen Fall vorgehen können. Wir können höchstens eine Informationssperre verhängen.«
»Ich möchte darum bitten, dass nur solche Besucher zu mir gelassen
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