Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
den Wagen und ging im Laufschritt zu seinem eigenen Auto. Roni folgte ihm. Der Himmel sah aus, als würde es bald regnen. Tero ließ sich hinter das Steuer des Aston Martin fallen und nahm Handy und Führerschein des Schweden aus der Tasche. Roni stieg auf der Beifahrerseite ein.
Wieder zerrissen heftige Schläge beinahe Teros Herz. Er starrte sein Bild auf dem Handydisplay an und warf einen erneuten Blick auf den Führerschein. Auf dem Passbild sah man einen ordentlich frisierten Mann, viel jünger als jetzt, der wie ein Ingenieur oder Ökonom aussah.
Bengt Broman.
Tero gab Roni das Handy und startete den Wagen. »Sieh nach, von welcher Nummer aus mein Bild an ihn geschickt worden ist. Und schreib die Nummern auf, von denen aus er angerufen worden ist und die er angerufen hat. Sind auch E-Mails drauf?«
Roni rührte sich nicht, während Tero rückwärts aus der Parkbucht fuhr. »Hast du gehört?«
»Ich will zuerst wissen, wohin wir fahren«, sagte Roni.
»Zum Flughafen.
»Und wohin von dort aus?«
»Rate mal.«
39
»Hier sind keine Bilder«, schnaufte Kimmo frustriert. Er hatte die Rückbank von Toomas' BMW losgeschraubt und angehoben und starrte auf das staubige Blech darunter. Der Sitz selbst war ein Element aus festem Kunststoff, in dessen Innerem man nichts verstecken konnte.
»Gib nicht so leicht auf, da muss etwas sein«, sagte Sirje.
Noch einmal schob Kimmo die Hand in den Zwischenraum von Sitz und Kofferraum, auch wenn er nicht glaubte, dort etwas zu finden. Die Tatsache, dass Toomas für einen Waffenhändler arbeitete, steigerte nicht gerade sein ohnehin schon geringes Vertrauen in seinen Schwager. Aber er behielt sein Misstrauen für sich, denn er wollte Sirje nicht kränken.
Das Auto stand vor Toomas' Haus in Herttoniemenranta. Sie hatten es in Westend geholt und waren bei der Gelegenheit an Toomas' Arbeitsplatz vorbeigekommen, einem modernen, teuren Haus, in dem man sich gut und gern einen russischen Waffenhändler vorstellen konnte. Sirje hatte Toomas gegen Kimmos Willen angerufen und ihn vor dem Mann gewarnt, der ihr in der Eingangshalle des Krankenhauses aufgefallen war, von dem sie geglaubt hatte, ihn schon einmal gesehen zu haben.
Kimmo fuhr mit den Fingern unter dem Sitz entlang, sicher, dort nichts zu finden. Plötzlich fühlte er doch etwas. Und gleich darauf zog er einen braunen, verstärkten Umschlag hervor.
Er öffnete das sorgfältig zugeklebte Kuvert und entnahm ihm einen Stoß Fotos. Neugierig trat Sirje neben ihn. Gemeinsam schauten sie sich die Bilder von der Beladung der Estonia an.
Als Datum war am oberen rechten Bildrand der 27.9.1994 zu lesen, der Tag der letzten Abfahrt des Schiffes von Tallinn.
Plötzlich zuckte Sirje zusammen und hielt sich ein Foto dichter vor die Augen. »Was ist?«, fragte Kimmo.
»Der Mann da.« Sie deutete auf einen Mann, der vor einem Volvo stand. »Das ist wirklich derselbe, den ich vorhin im Krankenhaus gesehen habe.« Kimmo blieb stumm.
»Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagte Sirje matt. »Aber ...«
»Die Fantasie darf nicht mit uns durchgehen, auch wenn das, was Toomas gesagt hat, dazu anspornt.«
»Falls Julia wegen dieser Dinge sterben musste, dann ist auch Toomas in Gefahr.«
»Sirje, das ist nur ein Mann, der so ähnlich aussieht. Außerdem ist das Bild schon zehn Jahre alt.«
Kimmo fixierte die Rückbank wieder und schloss das Auto ab.
»Sehen wir uns noch die Ordner von Toomas an«, sagte Sirje.
Kimmo war einverstanden, denn er sah, dass Sirje offenbar einen Hauch von neuer Kraft bekommen hatte, da sie fähig war, ihre Gedanken auf die Rätsel rund um die Estonia zu lenken. Außerdem hatte das Thema mittlerweile auch sein Interesse geweckt, auch wenn das Ganze allzu unglaublich schien. In der Wohnung gingen sie direkt ins Schlafzimmer zu dem Regal mit den Estonia-Ordnern. Kimmo hatte sie früher schon gesehen und sich seinen Teil gedacht. Sie lasen die sorgfältigen Beschriftungen auf den Rücken: AUSSAGEN DER GERETTETEN, VISIER, KASSETTEN, TAUCHROBOTER ...
Schließlich zog Sirje einen grünen Ordner aus dem Regal und Kimmo den Abschlussbericht der internationalen Untersuchungskommission, ein etwa ein Zentimeter dickes Büchlein, das Eselsohren hatte und voller gelber Merkzettel war. Kimmo schlug den Bericht willkürlich auf Seite 61 auf, wo dargelegt wurde, wie die Kommission mit den Zeugenaussagen verfahren war. Toomas hatte einige Sätze unterstrichen:
Verschiedene Einzelheiten weichen von dem ab, was die Zeugen in
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