Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
uns wiedertreffen, sollten wir noch einmal alle Erkenntnisse zusammentragen. Uns bleiben noch acht Tage, um Gage zu finden. Und um ehrlich zu sein, sieht es nicht besonders gut aus.«
»Wenn es hart auf hart kommt, beschützen wir Daniel auf der Veranstaltung«, warf Tallmadge ein.
»Das ist Plan B«, stimmte ich zu. »Und wir müssen das Ganze minutiös planen. Was meint ihr? Wenn wir bis – sagen wir, Mittwoch – noch nichts Konkretes über Gage herausgefunden haben, kümmern wir uns um Plan B, okay?«
»Ich glaube, dass es auf Plan B hinauslaufen wird«, warf Cormac ein. »Aber immerhin sind wir zu viert, und wir sind Vampire, das heißt, dass wir den Überraschungseffekt auf unserer Seite haben. Wir schaffen das«, sagte er mit einer für ihn ganz ungewohnten Zuversicht. Alle Spuren von Weinerlichkeit waren wie weggewischt. Außerdem fiel mir auf, dass er einen roten Seidenschal zu seinem üblichen schwarzen Outfit trug und etwas fülliger aussah als sonst. Ob er wohl Gewichte stemmte? Das würde ihm nur guttun. »Ich muss jetzt langsam los, Leute«, sagte er und stand auf. »Bis später, Daphne.«
»Ja, bis später«, erwiderte ich und winkte ihm kurz zu. Mir wurde es langsam zu warm neben Benny, daher stand ich auf und setzte mich auf Cormacs Platz – eine Entscheidung, die ich sofort bereute, da ich nun mit dem Rücken zur Tür saß und mich verwundbar fühlte. In diesem Moment trat Cathary ein, in den Händen ein Tablett mit einer Flasche, vier Gläsern, einem Löffel mit Loch, einigen Zuckerwürfeln und einer Wasserkaraffe mit Zapfhahn.
»Ah, die Erfrischungen sind da!«, rief Tallmadge erfreut. Cathary stellte das Tablett ab, nickte Tallmadge zu und verließ den Raum wieder.
»Was ist das?«, wollte Benny wissen. In ihre Stimme war Leben zurückgekehrt. Erleichtert stellte ich fest, dass ihr Marihuana-Rausch offenbar langsam nachließ.
» La fée verte . Die grüne Fee. Das Originalrezept, nicht die abgeschwächte Version, die man heute legal kaufen kann.«
»Oh, soll das heißen, es ist illegal?«, fragte Benny. Sie setzte sich aufrecht hin und betrachtete interessiert die Sachen auf dem Tablett. »Warum denn?«
»Weil es Absinth mit einem hohen Anteil Wermut ist«, warf ich ein. »Im achtzehnten Jahrhundert hieß es, dass es den Trinker in den Wahnsinn treibt. Vincent van Gogh hat es getrunken, also stimmt es wahrscheinlich.«
»Schwachsinn!«, widersprach Tallmadge. »Oscar Wilde hat es auch getrunken, genauso wie viele andere. Möglicherweise ruft Absinth ab und zu Halluzinationen hervor, aber selbst das ist fragwürdig. Auf jeden Fall sollte man Absinth unbedingt einmal probiert haben. Ich hoffe, dass ihr euch diesem Vergnügen anschließt.«
»Ich sicherlich nicht«, entgegnete ich. »Ich muss noch arbeiten.«
»Ach Daphne, ich versteh dich einfach nicht! Tallmadge versucht doch bloß, nett zu sein. Du ziehst mich richtig runter. Jetzt sei nicht so eine Spaßbremse«, bettelte Benny. »Ich probiere es, und ich würde mich viel besser fühlen, wenn du es auch tust.«
Ich entwickelte mich langsam zu einem Moralapostel. Ich hatte kein Recht, Benny davon abzuhalten, die gleichen Erfahrungen zu machen wie ich. In freundlicherem Tonfall sagte ich: »Ich habe schon einmal Absinth getrunken, Benny, in Paris – vor sehr langer Zeit. Wenn du es gern ausprobieren möchtest … Die grüne Fee ist … interessant. Aber ich muss einen klaren Kopf bewahren, für später.«
»In der Tat, Absinth ist … interessant«, echote Tallmadge und lächelte wie ein listiger Fuchs. Er goss ein wenig grünliche Flüssigkeit aus der Flasche in ein Glas. Dann legte er ein Stück Würfelzucker auf den Löffel, hielt den Löffel über das Glas und ließ Wasser darüberlaufen, um das Getränk zu versüßen, denn Absinth allein schmeckt sehr bitter. Als sich der Absinth mit dem Wasser vermischte, färbte sich die Flüssigkeit milchig weiß.
»Wow, das ist ja cool«, sagte Benny. Tallmadge reichte ihr das Glas, und sie nahm einen kleinen Schluck. »Es schmeckt wie Likör, richtig lecker!«, rief sie aus.
»Trink es langsam«, ermahnte ich sie. »Das ist keine Limonade.« Tallmadge blickte zu mir und zog eine Augenbraue hoch, dann bereitete er ein zweites Glas vor.
»Ich habe die Gräfin gebeten, uns Gesellschaft zu leisten«, sagte er.
In diesem Moment öffnete sich die Tür hinter mir. Ich erhob mich rasch und sah, wie eine hochgewachsene Frau den Raum betrat. Die Gräfin sah ganz anders aus, als ich sie
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