Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
öffnete die Tür. Wir waren fast draußen.
Oh, dachte ich, so einfach wird das wohl doch nicht. Wie aus dem Nichts tauchte ein weiterer Mann auf und stürzte auf mich und J zu. Eigentlich wollte ich mit einem gut gezielten Tritt seine Kehle treffen, aber durch den verflixten Rock meines Priestergewands konnte ich mein Bein nicht hoch genug heben, so dass ich seine Hoden traf – ein glücklicher Zufall, wie sich herausstellte. Ich ließ J los und benutzte beide Hände, um dem Angreifer die Kiste ins Gesicht zu rammen. Seine Nase brach, und mit blutüberströmtem Gesicht glitt er langsam, beinahe anmutig, an der Wand hinab und blieb benommen am Boden sitzen.
Ich ergriff wieder Js Arm, und gemeinsam traten wir hinaus auf die Straße. Cormac versuchte bereits, an der Ecke der Vierunddreißigsten Straße ein Taxi herbeizuwinken, doch so früh am Morgen befand sich niemand mehr auf der Straße – außer einem Wagen der Müllabfuhr etwa einen Block entfernt.
Wir müssen mit dem Taxi fahren? Verdammt magere Planung für unsere Flucht, dachte ich.
»Cormac!«, rief J mit deutlich schwächer werdender Stimme. »Auf der Fünfunddreißigsten steht mein Auto.«
Ich nahm an, dass er von seinem Hummer sprach, doch kurz darauf erreichten wir einen schwarzen Chevy Silverado mit ausgebauter Fahrerkabine. Über dem rechten Kotflügel stand in geschmackvollen goldenen Buchstaben THE INTIMIDATOR, 18.02.01, zu Ehren des verstorbenen NASCAR-Rennfahrers Dale Earnhardt.
»Ich kann fahren«, sagte J, humpelte mit meiner Hilfe zur Fahrertür und setzte sich hinter das Lenkrad. Ich nahm auf dem Rücksitz Platz, und Cormac ließ sich auf den Beifahrersitz sinken, nachdem er seine zwei Kisten neben mich gestellt hatte. J fuhr mit quietschenden Reifen los, bog auf die Hauptstraße ab und raste Richtung Uptown, ignorierte dabei sämtliche rote Ampeln und nahm schlingernd die ganze Straßenbreite ein.
Niemand verfolgte uns. Keine Sirenen heulten auf. »Das Sicherheitspersonal von Opus Dei ist wirklich erbärmlich«, sagte J, schüttelte den Kopf und ging ein wenig vom Gas.
Cormac schwieg. Er starrte in Gedanken versunken aus dem Fenster auf die wie ausgestorben daliegende Stadt – und lächelte dabei.
»O ja«, sagte ich. »Diese Priester haben einfach keine Ahnung, wann sie das Gewehr hervorholen oder an der Matratze horchen müssen. Aber wozu braucht Opus Dei überhaupt noch Sicherheitspersonal, wenn sie eine derartige Falle gebastelt haben, die mir persönlich für den Rest meines Lebens Alpträume bescheren wird? Das Ding hätte uns töten sollen und hätte es beinahe geschafft.«
»Der Punkt geht an Sie. Rufen Sie bitte Ihre Mutter an und geben Sie mir dann das Handy«, befahl J, zog sein Handy aus der Jackentasche und warf es auf den Rücksitz. Ich wählte die Nummer und gab ihm das Telefon zurück, noch bevor Mar-Mar abgenommen hatte. Ich war absolut nicht in der Stimmung, mit ihr zu reden.
Während J mit meiner Mutter sprach, fuhr er weiter durch die verlassenen Straßen Richtung Uptown, zu meiner Wohnung, wie ich vermutete. »M? J. Wir sind draußen. Ja. Hören Sie, es gab ein Problem. Wir haben nur drei Kisten. Die anderen? Wahrscheinlich zerstört. Welche wir mitgenommen haben? Vier, fünf und sechs. Ja. Okay, sag ich ihr. Roger.« Er ließ das Handy zuschnappen und sagte zu mir gewandt: »Sie kommt zu Ihnen und holt die Kisten dort ab.«
»Ich kann es kaum erwarten«, entgegnete ich und lehnte mich zurück. »Sollen wir nicht lieber in ein Krankenhaus fahren? Ihr Fuß sieht aus wie Hundefutter, und Sie fahren, als seien Sie betrunken.«
»Ich bringe Sie nach Hause. Falls es nötig sein sollte, kann Cormac mich in die Innenstadt fahren. Ich komme schon klar«, sagte er, doch er klang angespannt, und ich wusste, dass er eine Menge Blut verloren hatte. Ich beugte mich wieder nach vorn und tippte Cormac auf die Schulter. »Weißt du, wie man Auto fährt?«
Cormac drehte den Kopf zu mir um und sah mich gekränkt an. »Ich kann fahren. Ich hatte selbst mal ein Auto. Als ich in Cats gespielt habe, bin ich jeden Sommer nach Martha’s Vineyard gefahren. Aber ich konnte mir irgendwann die Stellplatzmiete nicht mehr leisten.«
»Cormac, das war vor zwanzig Jahren! Bist du sicher, dass du mit diesem Auto zurechtkommst?«
»Er schafft das schon, Daphne«, warf J ein. »Das ist ein Automatikwagen. Und jetzt lassen Sie ihn in Ruhe.«
Mir kam ein Gedanke. »Ist das Ihr Auto, J? Ich meine, gehört der Wagen Ihnen persönlich?«,
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