Rendezvous mit Mr Darcy
Sonnenschirm und den Handschuhen. Endlich hatte sie Zeit und die Entschlossenheit, dieses Rätsel zu lösen.
Auf jeden Fall musste die Dame hinaus, um einmal ordentlich zu laufen – oder zumindest spazieren zu gehen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die sportliche Betätigung Chloe einmal fehlen würde? Es waren keine Kameras in ihrer Nähe, und so nahm sie ihre Chance wahr. Leise schlich sie sich schnell nach unten zur Küche, wo ihr der Geruch eines Hammels, der gerade im Ofen briet, unangenehm in die Nase stieg. Das Leben des Regency ließ sie zur Vegetarierin werden. Sie würde nie in der Lage sein, die possierlichen englischen Schafe zu essen, die jenseits ihres Fensters auf den Hügeln grasten. Sie schob den kalten Eisenriegel zurück, woraufhin die Küchentür sich einen Spalt öffnete und ein Sonnenstrahl hereinfiel.
»Ich hoffe, Sie bleiben auf dem Anwesen von Bridesbridge und verlassen es nicht ohne Begleitung!«, dröhnte die Stimme der Köchin hinter ihr.
Chloe presste die Hand an ihre klopfende Brust. Die blauen Augen der Köchin tauchten hinter dem Regal mit den Kupfertöpfen auf. Vier tote enthäutete Hasen hingen von einem Balken über ihr herab, Kohlköpfe lagen in einer Reihe neben einem Hackebeil, als warteten sie auf ihre Hinrichtung, und sie schlug mit einem Pfefferminzzweig nach einer Fliege.
»Sie haben mich erschreckt! Natürlich bleibe ich auf dem Anwesen.«
Die Köchin lächelte und gab ihr ein paar Minzblätter, um darauf zu kauen. Sie riss die restlichen Blätter von den Stielen ab und stapelte sie neben ein halbes Dutzend Kohlköpfe, die auf einem Holztisch vor dem Kamin lagen.
Chloes Geschmack im Mund wurde durch die Minze frischer, und sie erinnerte sie an Henry, doch an ihn wollte sie ja nicht denken. »Ich muss an die frische Luft.«
Die Köchin zog ein langes Messer aus einer Schublade und begann, die Minzblätter systematisch zu hacken, schnell und sorgfältig. Innerhalb von Sekunden hatte sie auch alle sechs Kohlköpfe geviertelt. »Na dann, beeilen Sie sich mal! Ich werde Sie eine halbe Stunde decken – aber nicht länger! Seien Sie zum Mittagessen um zwölf Uhr dreißig wieder da!«
Das wäre auch völlig in Ordnung gewesen, hätte Chloe an ihrer Chatelaine eine kleine Uhr wie Grace.
Die Köchin stach das Messer in den Holztisch, wo es wie Excalibur, das Schwert im Stein, glänzte, und Chloe entschloss sich hinauszugehen, solange die Gelegenheit günstig war.
Die Köchin schloss die Küchentür hinter ihr, und Chloe hörte den Riegel zuschnappen. Sie ging durch den Gemüsegarten, wo der Duft von Basilikum die sommerliche Luft durchdrang, hob ihr Kleid und das Überkleid und hüpfte über den Lavendelrand. Sie folgte dem Weg zum Wildpark und hielt Ausschau nach einem Haus ohne Mauern mit einem Gesicht in einem Garten – vielleicht eine Statue? Vielleicht hatte Julias Energie sich auf sie übertragen, doch Chloe wollte nur umherwandern und dieses Rätsel lösen. Julia suchte stets nach neuen Möglichkeiten, um ihr Laufpensum, das sie in ihrem wahren Leben täglich zurücklegte, zu ersetzen, doch Chloe gelang es einfach nicht, sich mit ihrer Haube, dem Sonnenschirm, den Schuhen ohne jeglichem Fußbett und den Strümpfen, die immer wieder herunterrutschten, schnell genug zu bewegen.
Der Pfad schlängelte sich bis zum Rand des Wildparks, wo nichts auf die rätselhafte Beschreibung in dem Gedicht passte. So sehr sich Chloe auch wünschte, ihr hektisches Leben zu entschleunigen, musste selbst sie ihre Ungeduld im Hinblick auf die Freizeitaktivitäten des Regency, wie diese hier, mit denen sich Menschen beschäftigen durften, die zu viel Zeit hatten, eingestehen. Ebenso zerrte die Schneckenpost an ihren Nerven. Die unmittelbare Befriedigung, die Computer und Handys verschafften, war nicht zu leugnen. Auch wenn ein Brief ein noch so sinnliches und umwerfendes Erlebnis darstellte, kam er dennoch nie früh genug und teilte auch nie genügend mit.
Sie hörte irgendeine Art Vogel oben in einem der Bäume zwitschern. Es klang, als würde er sie auslachen, und das spöttische Geräusch hallte in ihrer Brust wider. Sie legte schützend die Hände vor die Augen, schaute hoch in den blauen Himmel, an dem Wolken vorbeizogen, die wie Zuckerwatte aussahen, und die Haube fiel ihr auf die Schultern. Den Blick immer noch nach oben gerichtet, hob sie ihr Kleid und das Überkleid und ging in das Wäldchen, da sie den Vogel dort besser hören würde. Durch die hohen dichten Baumkronen
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