Rendezvous um Mitternacht
lässig ab. »Mein Englisch ist nicht mehr so gut, wie es einmal war. Also, was halten Sie von einem Abendessen?«
»Ach ja, Sie hatten mir was zu beißen versprochen. Ich hoffe, Sie können so gut kochen wie Wohnungen einrichten.«
Er grinste unverfroren. »Keine Sorge.« Dann nahm er mich an der Hand und führte mich ins Hausinnere.
Ich hinkte mit ihm den Flur entlang und um die Ecke in eine Küche, von der die meisten Restaurants nur träumen konnten: eine Schrankfront aus Nussbaum, Küchengeräte aus Edelstahl, ein riesiger Gasherd, ein Kaminofen und Arbeitsflächen aus schwarzbraunem Granit. »Setzen Sie sich.« Steven zeigte auf die Kücheninsel, an deren Seite unaufdringlich-elegant zwei Hocker standen. »Ich kann gleichzeitig kochen und mich entschuldigen.«
Ich nahm Platz, zog mir die Schuhe aus und fragte: »Was ist Ihre Spezialität? Überbackenes Käsebaguette?«
»Ich koche Ihnen Knoblauchshrimps in Weißweinsoße auf Capellini.«
Ich hob eine Augenbraue. »Ah. Naja, wenn man gerade kein Käsebaguette dahat, ist das eine annehmbare Alternative.«
»Wie gesagt, ich muss mich für mein unhöfliches Verhalten in dem Restaurant entschuldigen«, sagte er und zog eine Flasche aus einem eingebauten Weinregal über der Spüle. »Mein ganzes Leben war ich ein Mann der Wissenschaft. Meine Mutter versuchte, mich auch ein wenig zum Glauben zu bringen, aber ich dachte immer, was man nicht … äh, was man mit einem Lineal tut?«
»Messen«, schlug ich vor.
»Ja, was man nicht messen kann, kann es nicht geben. Nach allem, was ich in meinem Leben gelernt und erfahren habe, ist das, was Sie tun, unmöglich. Und dennoch tun Sie es.«
»Ich bin eben außergewöhnlich«, sagte ich selbstzufrieden, während Steven ein Glas Wein vor mich hinstellte. Er musterte mich lange, und ich merkte, dass der Mann der Wissenschaft einen harten Kampf mit dem Mann des Glaubens ausfocht. »Erklären Sie mir, wie Sie das im Tangos sagen konnten. Wie ging das zu?«
»Das ist eine angeborene Gabe«, sagte ich. »Ich weiß ganz sicher, dass das Leben nach dem Tod weitergeht, nur die Verständigung wird schwierig. Aber es gibt eben Menschen wie mich, die dafür eine schärfere Wahrnehmung haben, etwa wie jemand mit musikalischem Gehör unter völlig unmusikalischen Leuten.«
»Sie können also die Toten hören?«
»Genau. Aber nicht immer gut. Manchmal nur sehr gedämpft, und selbst an guten Tagen bin ich froh, wenn ich jedes dritte oder vierte Wort mitbekomme.«
»Was sagen sie Ihnen?«
»Meistens nur grundlegende Dinge. Ihren Namen, wie sie gestorben sind, mit wem sie verwandt sind … solche Sachen.«
Steven schüttete die Shrimps in die Pfanne. »Und wie können Sie dadurch Geister austreiben?«
Ich lächelte. »Das ist ein bisschen was anderes. Ich habe mich jahrelang darauf beschränkt, für andere Kontakt zu ihren toten Verwandten herzustellen, das heißt, zu denen, die wussten, dass sie gestorben sind. Viele Geister erkennen aber nicht, dass sie physisch tot sind, und so bleiben sie in der Schwebe zwischen unserer Welt und ihrem Bestimmungsort, der für sie nebelhaft und verwirrend ist. Gil und ich helfen diesen gestrandeten Seelen – so nennen wir sie –, indem wir ihnen schonend beibringen, dass ihr physisches Leben zu Ende ist. Sobald sie eingesehen haben, dass sie nicht mehr auf diese Welt zurückkönnen, ziehen sie schön brav dorthin weiter, wo sie hingehören.«
»Und wohin gehören sie?«
»Sie würden vielleicht Himmel dazu sagen, aber mir gefällt das Wort Jenseits besser.«
Steven sagte eine ganze Weile nichts mehr, sondern kochte schweigend zu Ende. Schließlich schöpfte er eine ordentliche Portion duftender Shrimps und Pasta auf einen Teller und reichte ihn mir. »Hier, essen Sie«, sagte er und setzte sich auf den zweiten Hocker.
Ich probierte das Essen. Es war köstlich. »Stimmt, kochen können Sie«, sagte ich.
»Ich kann noch mehr«, sagte Steven. »Vielleicht werde ich es Ihnen eines Tages zeigen.«
Ich merkte, dass ich wieder rot wurde, und nahm einen großen Schluck Wein. Dann kehrte ich zum ursprünglichen Thema zurück. »Wie schon gesagt, Gil und ich helfen diesen verwirrten Geistern in die nächste Welt hinüber, aber manchmal stoßen wir auf einen, der von diesem Muster abweicht, und dann wird die Geisterjagd erst richtig spannend.«
»Wie?«
»Es handelt sich um Leute, die im Leben echt üble Gesellen waren, und aus verständlichen Gründen haben sie keine große Lust, himmelwärts
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