Rendezvous
der Wand ab. »Ich glaube, in der Zwischenzeit werde ich dem Engel den Abend verderben, indem ich um einen Tanz bitte. Fünf zu eins, dass sie mir den Tanz rundheraus ausschlägt.«
»Versuch, mit ihr über das Buch zu reden, an dem sie schreibt« schlug Harry geistesabwesend vor, während er sein Glas auf einem Tablett abstellte, das gerade vorbeigetragen wurde.
»Was ist das für ein Buch?«
»Ich glaube, Sir Thomas hat gesagt, der Titel lautet Ein Leitfaden des nützlichen Wissens für junge Damen. «
»Gütiger Himmel.« Peter schien reichlich entsetzt zu sein. »Schreiben denn alle Frauen in London Bücher?«
»Es scheint so. Lass den Kopf nicht hängen«, riet ihm Harry. »Du könntest so manches Nützliche lernen.«
Er bahnte sich einen Weg durch die farbenfrohe Menschenmenge. Sein Vorankommen wurde mehrfach durch Bekannte behindert, die darauf beharrten, ihn lange genug aufzuhalten, um ihm zu seiner Verlobung zu beglückwünschen.
In den letzten zwei Tagen, eigentlich sogar schon seit dem Erscheinen der Bekanntmachung in den Zeitungen, war Harry durchaus bewusst geworden, dass die Gesellschaft von dieser unerwarteten Verbindung ziemlich fasziniert war.
Lady Willoughby, eine stämmige Matrone, klatschte mit ihrem Fächer von hinten auf den Ärmel von Harrys Abendanzug, als er vorbeikam. »Dann ist also Miss Augusta Ballinger diejenige, die es geschafft hat, an die Spitze Ihrer Liste aufzurücken, was, Mylord? Ich hätte niemals geglaubt, dass Sie sich mit ihr zusammentun könnten. Aber andererseits sind Sie ja schon immer ein Tiefgründiger gewesen, stimmt's, Graystone?«
»Ich nehme an, Sie wollen mir damit zu meiner Verlobung gratulieren« sagte Harry kühl.
»Ja, selbstverständlich, Sir. Die gesamte gute Gesellschaft gratuliert Ihnen mit Freuden. Wir erwarten uns von dieser Verbindung reichlich Unterhaltung für die ganze Saison, verstehen Sie.«
Harry kniff die Augen zusammen. »Nein, Madam, ich verstehe nicht. «
»Jetzt hören Sie aber auf, Mylord. Sie müssen doch zugeben, dass es zwangsläufig herrlich amüsant werden wird. Sie und Augusta Ballinger sind ein so ungleiches Paar, oder etwa nicht? Es wird enorm interessant sein mitanzusehen, ob es Ihnen gelingt, sie vor den Altar zu schleifen, ohne dass Sie sich vorher gezwungen sehen, irgendwelche Duelle auszutragen oder ihren Onkel zu bitten, dass er sie aufs Land schickt. Sie ist eine Northumberland-Ballinger, verstehen Sie. Der macht einem viel Ärger, dieser Familienzweig.«
»Meine Verlobte ist eine Dame«, sagte Harry mit ruhiger Stimme. Er sah der Frau einen fröstelnden Moment lang fest in die Augen und gestattete sich nicht, sich auch nur irgendein Gefühl ansehen zu lassen. »Ich kann doch wohl erwarten, dass die Leute diese Tatsache nicht außer acht lassen, wenn sie über sie reden. Sie werden sich das doch merken, nicht wahr, Madam?«
Lady Willoughby blinzelte verunsichert und lief dunkelrot an. »Ja, selbstverständlich, Mylord. Es war nicht als Beleidigung gedacht. Ich wollte Sie nur necken. Unsere Augusta ist eine lebhafte junge Frau, aber wir mögen sie alle gern und wünschen ihr nur das Beste.«
»Danke. Ich werde ihr diese Information übermitteln.« Harry neigte mit eisiger Höflichkeit den Kopf und wandte sich ab. Innerlich stöhnte er. Es bestand kein Zweifel daran, dass Augustas enthusiastische Haltung gegenüber dem Leben ihr einen unseligen Ruf für ihren Leichtsinn eingetragen hatte. Er würde ihre Zügel straffen müssen, ehe sie sich in Schwierigkeiten brachte.
Endlich erwischte er sie am anderen Ende des Ballsaals, wo sie mit Lovejoy stand und lachend plauderte. Als spürte sie seine Nähe, ließ sie einen Satz in der Mitte abreißen und drehte sich um, um Harry ins Gesicht zu sehen. Ein forschender Schimmer trat in ihre Augen, und dann entfaltete sie mit lasziver Anmut ihren Fächer.
»Ich habe mich schon gefragt, wann Sie heute Abend wohl erscheinen werden, Mylord« sagte Augusta. »Haben Sie schon Lord Lovejoys Bekanntschaft gemacht?«
»Wir sind einander schon begegnet.« Harry nickte dem anderen Mann unwirsch zu. Die verschlagene Belustigung in Lovejoys Gesicht gefiel ihm nicht. Und ihm passte auch nicht, wie dicht der Mann neben Augusta stand.
»Ja, selbstverständlich. In manchen Clubs sind wir beide Mitglieder, nicht wahr, Graystone?« Lovejoy wandte sich an Augusta und nahm mit einer galanten Geste ihre behandschuhte Hand. »Ich nehme an, ich muss Sie jetzt Ihrem zukünftigen Herrn und Meister
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