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Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Titel: Renner & Kersting 01 - Mordsliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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wenn er das nie gelernt hat?”
    „Dann muss er eben dazu gezwungen werden. Man kann nicht alle Schwierigkeiten eines Menschen mit den Problemen der Kindheit entschuldigen. Damit zeigt man mangelnden Respekt gegenüber allen, die trotz schwerer Kindheit etwas aus sich gemacht haben, die fähig sind, sich zu beherrschen und ein selbstverantwortetes Leben zu führen!” Elli war laut geworden.
    Die Schulglocke unterbrach die Diskussion, die so oder ähnlich schon des Öfteren im Lehrerzimmer stattgefunden hatte.
    „Halt, wartet! Wer tauscht morgen die Pausenaufsicht mit mir? Ich habe ein wichtiges Elterngespräch.” Beate Paukens schaute fragend in die Runde.
    Der alltägliche Dienst hatte sie eingeholt. Nachdenklich ging Helga in ihre Klasse. Ergab sich aus den Gesprächen ein Ansatzpunkt? Dass Benjamin in fremde Häuser eingedrungen war, war neu für sie. Vielleicht sollte man dem einmal nachgehen. Sie konnte René danach fragen und vielleicht noch einige andere Kinder aus seiner Klasse. Weitere Überlegungen verschob sie auf den Nachmittag, denn jetzt beanspruchten die Schüler ihre ganze Aufmerksamkeit.

9
    Pass gefälligst besser auf das Balg auf, es brüllt schon wieder. Klatsch! Eine Ohrfeige rechts. Klatsch! Eine zweite Ohrfeige links. Sie spürte das Brennen immer noch, auch nach so vielen Jahren. Es tat weh, furchtbar weh. Sie wagte nicht zu sprechen, kaum zu atmen. So schnell sie konnte, wechselte sie die Windeln und wiegte das Baby sanft in ihren Armen. Jetzt war es still, lächelte sogar mit geschlossenen Augen vor sich hin. Sie wollte den Kleinen in sein Bettchen legen, doch da begann er wieder zu schreien. Hastig nahm sie ihn hoch. Und wieder schrillte die Stimme in ihrem Kopf: Sieh zu, dass das verdammte Balg ruhig bleibt! Aus bitterer Erfahrung wusste sie, was passieren würde, wenn das Baby nicht ruhig blieb. Angst umgab sie wie klebriges Gespinst und ließ sie hilflos zittern.
     
    Anne-Liese Merklin fühlte sich in Hochform. Endlich einmal gab es Sinnvolleres zu tun als Frauentreffs oder Bastelabende zu organisieren. Sie glaubte fest daran, dass jemand, der plötzlich aus seinem Alltag ausbrach und sich so weit von der Norm entfernte wie ein Kindermörder, neue Verhaltensmuster entwickelte. Sie musste nur geduldig und systematisch genug vorgehen, dann würde sie sicher einen Hinweis entdecken. Also: wer klatschte und tratschte am liebsten im Bezirk und wer wusste am besten Bescheid? Anhand dieser Überlegungen stellte sie eine Liste jener Leute auf, die sie zu besuchen gedachte. In den Geschäften brauchte sie nicht einmal einen Vorwand. Die Verkäuferinnen unterhielten sich gern, besonders am Vormittag, wenn es nicht viel zu tun gab. Schwieriger war es schon, an die Nachbarn der Familien Fränzke und Linners heranzukommen. Aber bis dahin würde ihr sicherlich etwas einfallen, da hatte sie keine Bedenken. Zuerst wollte sie Zeitungen und Zigaretten einkaufen, die brauchte sie sowieso.
    Nachdem Ali neun Zeitungen, elf Zeitschriften und Unmengen an Zigaretten gekauft hatte, war sie vom Gelingen ihres Planes nicht mehr so überzeugt wie am frühen Morgen. Jetzt noch zu Frau Große , dann wurde es Zeit, das Essen für sich und ihre Töchter zu kochen.
    Der Kiosk der alten Frau lag im Souterrain eines neu renovierten Mietshauses. Nach dem Öffnen der Tür ging es drei Stufen hinab. Das melodische Läuten der Glocke lockte die Inhaberin aus dem Hintergrund hervor.
    „Da biste vonne Pötte, die Frau Merklin. Tach auch! Sie waren cha lange nich hier. Ssaren Sse, wann hamwer uns denn zuletzt chessehn?”
    Dass Frau Große aus dem Westfälischen stammte, war nicht zu überhören. Mit über sechzig Jahren entsprach sie nicht dem Bild, das man sich gemeinhin von einer Kioskbesitzerin macht. Zur grauen Hose trug sie eine elegante, dunkelblaue Bluse und einen bunten Seidenschal. Die goldene Brosche zeigte das gleiche Muster wie die Ohrstecker, und am Handgelenk klimperten mehrere schmale Armreifen. Weißgraue Löckchen umrahmten ein freundliches Vollmondgesicht. Da sie ihre Stammkunden kannte und sich gerne unterhielt, wusste sie über alles, was sich in der Umgebung abspielte, bestens Bescheid. Besonders die Kinder besuchten sie häufig. Manchmal halfen sie auch beim Einräumen der Ware, da Oma Große nicht nur gut zuhören konnte, sondern auch recht freigebig war.
    „Das ist leider schon eine ganze Weile her. Wie geht es Ihnen denn?”
    „Ach, ich bin cha sso schlecht zuweje!”
    „Das tut mir Leid”,

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