Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Renner & Kersting 01 - Mordsliebe

Titel: Renner & Kersting 01 - Mordsliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
Vom Netzwerk:
Ungerührtheit in Jörgs Stimme hörte. Für ihn war es normal, dass er seinem Vater gleichgültig war.
    „Sag mal … wie war das eigentlich mit Benni? Wart ihr befreundet?”
    „Benni? Nee, der war nich mein Freund, der war Papas Freund.”
    „Magst du mir erzählen, warum er Papas Freund war?”
    „Weiß nich … wegen dem Geheimnis vielleicht.”
    Schon wieder das Geheimnis. Helga stöhnte innerlich.
    „Der Benni …” Jörgs Gesicht verfinsterte sich. „Der Benni, der durfte alles, einfach alles, der durfte sogar mit Papas Computer spielen, in dem leeren Büro, immer, wenn er wollte. Und er kriegte Spiele, sogar die ganz neuen kaufte Papa ihm. Für den hatte Papa Zeit.” Plötzlich strömte der ganze Frust aus ihm heraus. „Benni konnte immer kommen, er durfte an den Computer, sogar ins Internet durfte er. Das war gemein, ich durfte nie mit dem Computer spielen, mir hat er so ne blöde Playstation geschenkt, aber Benni … gut, dass er tot ist, er hat es verdient, er war gemein zu mir und zu Papa auch.” Jörg schluchzte und schniefte. Rotz begann zu fließen, und ein Jackenärmel verteilte ihn gleichmäßig im Gesicht .
    „Wieso war Benni gemein zu deinem Papa?”
    Es dauerte eine Weile, bis der Junge antworten konnte. „Er hat so Sachen gesagt – über meinen Papa.”
    „Aha, was hat er denn gesagt?” Plötzlich fror sie und zog ihren Mantel enger zusammen. Es half nicht. Die Kälte kam von innen.
    „Benni hat gesagt … also er hat gesagt, dass mein Papa nicht nur Mama lieb hat, sondern auch andere Frauen. Und dass er mit anderen Frauen … na, du weißt schon.”
    „Meinst du nicht, dass das Unsinn ist? Woher wollte Benni das denn wissen? Das geht doch nur deinen Papa und deine Mama an.”
    „Er hat gesagt, er hat gesehen, wie Papa Frau Steinhofer fotografiert hat, und dann hat er noch gesagt, mein Papa hat gesagt, dass er schöne Frauen mit langen, blonden Haaren mag, deshalb würde er sie fotografieren, und meine Mama hat kurze, schwarze Haare. Wenn mein Papa andere Frauen fotografiert, dann mag er Mama bestimmt nicht mehr, nicht? Lassen sie sich jetzt scheiden?”
    Helga Renner ging in die Hocke, um ihre Augen auf die gleiche Höhe wie die des Kindes zu bringen. Mit dem verschmierten Gesicht wirkte der Junge nicht gerade anziehend. Die Lehrerin angelte nach einem ungebrauchten Papiertaschentuch, um Tränen und Rotz abzuwischen. Sanft strich sie dann dem Kleinen über die Haare. „Weißt du, Jörg, wenn ein Mann und eine Frau lange Zeit zusammen sind, so wie deine Eltern, kann es vorkommen, dass sie sich nicht mehr so mögen wie am Anfang. Manchmal bleiben sie zusammen, und manchmal trennen sie sich, aber das hat nichts mit dir zu tun. Ganz egal, ob deine Eltern sich trennen oder zusammenbleiben, du bleibst ihr Kind, und alle beide haben dich lieb.”
    „Papa nich, der hat sich immer nur um Benni gekümmert … aber jetzt, wo Benni tot ist, hat er vielleicht doch wieder Zeit für mich.”
    Bekümmert versuchte Helga, ihre schwarzen Gedanken in vernünftige Bahnen zu lenken. Auch wenn Jörg sich über Bennis Tod freute, so war es doch ausgeschlossen, dass er … Plötzlich wurde ihr leicht ums Herz. Sie suchte doch nach einem Motiv für zwei Morde! Wie hatte sie nur so etwas Dummes denken können! „Weißt du, deine Mama hat Recht, wenn sie sagt, dass dein Papa viel arbeiten muss. Schließlich muss er Geld verdienen. Deine Mama arbeitet doch sicher nicht?”
    „Nee, die hat keine Zeit zum Arbeiten. Die is immer weg, weiß nich, wohin.” Er hob die Schultern.
    „Wer kümmert sich denn um dich?”
    „Frau Reimann.”
    „Und wer ist das?”
    „Die kocht für uns.” Das klang erstaunt und abfällig zugleich, als wollte er sagen: Die kennt doch jeder. Helga ersah daraus, wie nahe er der Frau stand, viel näher jedenfalls als seinen Eltern.
    „Versuche, nicht soviel darüber nachzudenken, es wird bestimmt alles wieder gut.”
    „Das sagt Frau Reimann auch immer.” Noch einmal zog er geräuschvoll den Inhalt seiner Nase hoch, um dann mit einem kurzen Winken davonzulaufen, während die Lehrerin auf einen sich prügelnden Pulk Kinder zuging.
    Die Pause näherte sich dem Ende, und Helga suchte noch immer vergeblich nach Marcel. Von seinen Klassenkameraden erfuhr sie dann, dass er schon seit Tagen fehlte. Sie hatte sich vorgenommen, seinem Vater ein wenig auf die Finger zu sehen. Doch dazu brauchte sie Marcels Adresse. Nach ihrem Zusammenstoß wagte sie nicht, Linda danach zu fragen, und

Weitere Kostenlose Bücher