Renner & Kersting 01 - Mordsliebe
kommentarlos nach.
„Es ist ja noch früher Nachmittag, und ich hab gedacht, um die Zeit ist nicht viel los, da können wir reden. Es standen auch schon einige an der Straße. Ich bin einfach auf sie zugegangen.”
„Wie konntest du nur! Du siehst nun wirklich nicht wie eine von denen aus, und da das keine Durchgangsstraße ist, gibt es dort kaum Verkehr.”
Ali feixte: „Und ob es dort Verkehr gibt.”
„Nun bleib doch mal ernst, schließlich weißt du genau, was ich meine. Es ist allgemein bekannt, dass Besucherinnen dort nicht gern gesehen werden. Hast du tatsächlich gehofft, mit deiner Masche durchzukommen?”
„Ich habe gar nicht groß nachgedacht. Die Idee erschien mir einfach plausibel.” Ali schien kein bisschen zerknirscht. Im Gegenteil. Kämpferisch richtete sie sich auf, was bei ihrem verpflasterten Gesicht jedoch eher komisch wirkte. „Die Polizei hat immer noch keine Fortschritte gemacht und wir auch nicht. Wir müssen noch viel mehr unternehmen!”
Dann fuhr sie etwas weniger vehement fort: „Ich hatte also gerade begonnen, mich mit einer der Damen zu unterhalten – wirklich, sie war richtig nett, ein bisschen herablassend zwar, aber dafür spielte ich die Dumme, Naive auch zu gut – da tauchte dieser Kerl auf und wollte mich vertreiben. Er schubste mich so, dass ich stolperte und auf die Straße flog. Ich wurde wütend und hab versucht, mich zu wehren. Das war ein Fehler.” Ali klang tatsächlich ein bisschen kleinlaut. „Sonst wäre es sicher glimpflicher abgegangen. Aber ich kann es nun mal nicht vertragen, wenn mich einer anfasst! Und dann auch noch so einer! Ich hab gar nicht überlegt vor lauter Zorn. Ich sah nur noch Rot. Tja, und jetzt bin ich hier. Ich dachte, ich könnte mich bei dir wieder ein bisschen aufmöbeln, bevor ich heimgehe. Wenn Herbert oder die Kinder mich so sehen, fallen die glatt um. Die Kinder sind sowieso schon sauer, weil ich so selten zu Hause bin, und mein Männe merkt allmählich auch etwas.”
Helga hatte sich schon lange gewundert, dass Ali ihre Aktivitäten und den Haushalt anscheinend problemlos unter einen Hut brachte. Dabei ging es nicht nur um die Schnüffelei, ihre anderen Verpflichtungen hatte sie keineswegs aufgegeben. Sie engagierte sich in der Kirchengemeinde, begleitete die Schüler aus dem Neubaugebiet jeden Morgen in die Schule und holte sie mittags wieder ab.
„Was ist mit dem Kaffee?”
„Der müsste fertig sein, ich hol ihn. Du weißt ja, wo die Tassen stehen.”
Der Einfachheit halber goss Helga ihren Kirsch gleich in den Kaffee, während Ali beidhändig agierte. Schweigend tranken sie ihre Tassen bis zu dem Punkt aus, an dem der Optimist sie halb voll, der Pessimist sie halb leer nennt.
„Weißt du, wie der Typ aussah, der dich angefasst hat, und willst du Anzeige erstatten?”
„Erstens ja, zweitens nein.” Ali hielt inne und runzelte die Stirn. „Was soll ich der Polizei erzählen, warum ich da war, hm? Und dann stünde auch Aussage gegen Aussage, die Nutten werden wohl schwerlich auf meiner Seite sein, also was bringt’s? Und die Beschreibung? Er trug dunkle Kleidung. In dem Moment kam er mir riesengroß vor, aber er dürfte nicht viel größer als ich gewesen sein, er hatte einen ziemlichen Bauch … auffallend war seine komische Frisur, vorne Glatze, und hinten Pferdeschwanz. Mehr weiß ich nicht.”
„Das reicht. Ich glaube, ich kenne den Typ.”
„Was? Sag bloß, das ist einer deiner Väter?”
„Die Beschreibung passt auf Bennis neuen Papa, ich habe ihn mal auf dem Schulhof gesehen, er fiel sofort auf, und irgendwer erzählte, er sei Fränzkes Neuer.”
„Das kommt hin, der arbeitet doch für Eddi! Vermutlich ist er für die kleineren Probleme zuständig.”
Für einen Moment hingen beide ihren Gedanken nach. Dann meinte Ali: „Etwas muss Eddi zu verbergen haben, sonst hätte er es doch nicht nötig, so rigoros zu reagieren, nur weil mal eine Frau mit seinen Huren sprechen will, oder?”
„Möglicherweise steht deine Prügelei in keinem Zusammenhang mit den Kindermorden. Aber es ist doch gut möglich, dass er andere Sachen auf dem Kerbholz hat! Abgesehen von allgemeinem Gerede wissen wir nichts über ihn. Nein, in dieser Richtung sollten wir auf keinen Fall weiter ermitteln. Das ist viel zu gefährlich!”
„Nun hör aber auf! Du immer mit deiner Schwarzmalerei! Versuche einmal die Tatsachen zu sehen wie sie sind. Ich finde, unsere Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen – und was Lembert zu
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