Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)
Kellner auf mir. Ich bin erleichtert, dass der Aufzug gleich kommt, und ich atme auf, als die Türen hinter mir zugleiten. Ich lehne kurz die Stirn gegen die Aufzugwand, die sich kühl auf meiner Haut anfühlt, und atme tief durch.
Was ist nur los mit mir?
Als die Aufzugtür sich öffnet, schwillt das Stimmengewirr an – tosender Applaus – und ich biege um die Ecke und trete in das grelle Licht des Ballsaals, genau als tausend Stimmen wiederholen: »Auf Ihre zukünftige Frau!«
Ich sehe Fred auf der Bühne stehen und ein Glas Champagner von der Farbe flüssigen Goldes erheben. Ich sehe, wie sich mir tausend leuchtende und aufgedunsene Gesichter wie geschwollene Monde zuwenden. Ich sehe mehr Champagnergläser und alles verschwimmt.
Ich hebe die Hand. Ich winke. Ich lächele.
Mehr Applaus.
Auf der Heimfahrt ist Fred schweigsam. Er hat darauf bestanden, mit mir allein zu sein, und hat seine Mutter und meine Eltern mit einem anderen Fahrer vorausgeschickt. Ich habe angenommen, dass er mir etwas sagen will, aber bisher hat er noch nichts geäußert. Er hat die Arme verschränkt und das Kinn auf die Brust gelegt. Fast sieht es aus, als würde er schlafen. Aber ich kenne diese Haltung; er hat sie von seinem Vater geerbt. Es bedeutet, dass er nachdenkt.
»Ich glaube, es war ein Erfolg«, sage ich, bevor das Schweigen unerträglich wird.
»Mmm.« Er reibt sich die Augen.
»Bist du müde?«
»Mir geht’s gut.« Er hebt das Kinn. Dann beugt er sich unvermittelt vor und klopft an die Scheibe, die uns vom Fahrer trennt. »Halten Sie bitte einen Moment an, Tom.«
Tom fährt augenblicklich an den Straßenrand und macht den Motor aus. Es ist dunkel und ich kann nicht genau erkennen, wo wir sind. Auf beiden Seiten des Wagens ragen Mauern aus dunklen Bäumen auf. Sobald die Scheinwerfer ausgeschaltet sind, ist es praktisch pechschwarz. Das einzige Licht stammt von einer Straßenlaterne, die gut zehn Meter entfernt steht.
»Was machen wir …?«, will ich fragen, aber Fred wendet sich mir zu und unterbricht mich.
»Weißt du noch, als ich dir die Golfregeln erklärt habe?«
Ich bin so erschrocken, sowohl von der Dringlichkeit in seiner Stimme als auch von der unerwarteten Frage, dass ich nur nicken kann.
»Ich habe dir gesagt, wie wichtig der Caddie ist«, fährt er fort. »Immer einen Schritt hinter dem Spieler – ein unsichtbarer Verbündeter, eine Geheimwaffe. Ohne einen guten Caddie kann selbst der beste Golfer besiegt werden.«
»Okay.« Das Auto kommt mir klein und zu heiß vor. Freds Atem riecht säuerlich nach Alkohol. Ich will ein Fenster aufmachen, aber das geht natürlich nicht. Der Motor ist aus; die Fenster sind zu.
Fred fährt sich energisch mit der Hand durch die Haare. »Was ich damit sagen will, ist, dass du mein Caddie bist. Verstehst du das? Ich erwarte von dir, dass du zu hundert Prozent hinter mir stehst. Das ist notwendig.«
»Das tue ich auch«, sage ich, dann räuspere ich mich und wiederhole: »Das tue ich auch.«
»Bist du sicher?« Er beugt sich ein Stückchen vor und legt mir die Hand aufs Bein. »Du wirst mich immer unterstützen, egal unter welchen Umständen?«
»Ja.« Ein Gefühl der Unsicherheit blitzt in mir auf – und auch Angst. Ich habe Fred noch nie so eindringlich erlebt. Seine Hand hält meinen Schenkel so fest gepackt, dass ich fürchte, sie wird dort einen blauen Fleck hinterlassen. »Darum geht es doch in einer Partnerschaft.«
Fred starrt mich noch einen Moment an. Dann lässt er mich ganz plötzlich los.
»Gut«, sagt er. Er klopft beiläufig an die Scheibe zum Fahrer, was Tom als Aufforderung betrachtet, den Motor wieder anzulassen und weiterzufahren. Fred lehnt sich zurück, als wäre nichts geschehen. »Ich bin froh, dass wir uns da verstehen. Cassie hat mich nie verstanden. Sie hat mir nicht zugehört. Das war ein Großteil des Problems.«
Das Auto setzt sich wieder in Bewegung.
»Cassie?« Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb.
»Cassandra. Meine erste Partnerin.« Fred lächelt gezwungen.
»Ich verstehe nicht«, sage ich.
Einen Moment erwidert er nichts. Dann sagt er unvermittelt: »Weißt du, was das Problem meines Vaters war?« Mir ist klar, dass er keine Antwort erwartet, trotzdem schüttele ich den Kopf. »Er glaubte an die Menschen. Er glaubte, dass man den Menschen nur den richtigen Weg weisen müsste – den Weg zu Gesundheit und Ordnung, einen Weg, sich vom Unglück zu befreien –, damit sie die richtige Wahl treffen würden. Dann
Weitere Kostenlose Bücher