Requiem: Roman (German Edition)
mit ihm geschah. In all diesen Fällen stehen die Menschen den Prozessen, die sie selbst betreffen, gleichgültig gegenüber, als wären sie gar nicht anwesend. Ellis, Hanratty und McGladdery. In jedem dieser Fälle sieht es aus, als hätten sie an ihrem Untergang mitgewirkt. Als Robert in dieser Nacht in die Crumlin Road zurückgebracht wurde, wartete Hughes mit der herausgerissenen Titelseite des Telegraphs auf ihn.
»Sie haben Brattys Strafe umgewandelt«, sagte er, »er darf dem Wunsch Ihrer Majestät folgend in Haft sitzen.«
»Macht nichts«, sagte Robert, »für mich ist es sowieso zu spät.«
*
Der folgende Tag war für die Zusammenfassung von Richter Curran und den Beginn der Beratungen der Geschworenen reserviert. McCrink nahm seinen Platz auf dem öffentlichen Rang früh ein. An diesem Tag wurde noch kein Urteilsspruch erwartet. Man bekam das Gefühl, das Zeremonielle des Gerichtes sei endlich richtig am Platz, jetzt, da das Urteil näher rückte. Die schlecht sitzenden Perücken, die schäbigen Roben, die altertümlichen Verfügungen. Die Worte der Verurteilung, die das Gewicht bekamen, das ihnen zustand. Lance Curran hatte ausführliche Notizen vorbereitet, die er in monotonem Tonfall verlas, die auf jeden Aspekt des Falles eingingen und ihm das nötige Gewicht beimaßen. Zuerst sah es so aus, als folge Robert ihm, aber nach einer Weile verlor er die Konzentration. Die Einzelheiten des Falles waren wie etwas, das vor langer Zeit jemand anderem widerfahren war. Ein verstaubter, archivierter Mord. Etwas, das man in einer alten Zeitung las, mit der man eine Schublade auslegte. Richter Curran war pedantisch; knochentrocken arbeitete er sich durch die forensischen Unterlagen, den Zeitpunkt des Todes, die Temperatur der Leiche. An diesem Punkt sah McCrink, wie der Richter Robert über den Rand der Brille hinweg anstarrte. McCrink setzte sich aufrecht hin. Bösartigkeit hing im stillen Gerichtssaal. Patricia Curran und Pearl Gamble. McCrink erschauderte. Er kam sich vor, als zerrten ihn kalte, neunzehnjährige Hände in ein sorgfältig ausgearbeitetes Vermächtnis der Unterwelt hinab. Richter Curran fing an, auf den Vorfall mit den trockenen Kleidern einzugehen, den Brown in seinem Schlussplädoyer hervorgehoben hatte.
»Bevor man sich darauf verständigt, dass die Polizei in diesem Fall eine Gaunerei begangen hat, muss man eindeutige Beweise vorlegen können und nicht einfach dem Gerede eines Mannes, der vor diesem Gericht unter Anklage steht, vertrauen.«
Curran ging dazu über, sich dem Thema zu widmen, was Robert in der Nacht des Mordes getragen hatte.
»Dreizehn Zeugen sagen aus, dass McGladdery einen hellen Anzug trug. Und sie alle sollen falschliegen?«
McCrink sah, wie Anwalt Brown sich halb aufrichtete, während Curran sprach, und sich dann wieder in den Stuhl zurücksinken ließ.
Richter Curran beendete seine Zusammenfassung damit, die Geschworenen daran zu erinnern, dass sie ein einstimmiges Urteil fällen mussten, und sie zogen sich in den Geschworenenraum zurück. Vierzig Minuten später kamen sie zurück.
McCrink war Speers und Johnston im Foyer vor dem Gerichtssaal begegnet.
»Er hat McGladderys Prozess sabotiert«, sagte McCrink, »der Richter hat ihm bewusst den Boden unter den Füßen weggezogen.«
»War sowieso kein so großer Fall. Dieser mordende kleine Scheißer«, sagte Johnston, »dieser vaterlose kleine Mistkerl.«
»Wer hat die Kleider in die Grube geworfen?«, fragte McCrink.
»Das werden Ihnen die Geschworenen sagen. Und wie’s aussieht, wird das nicht mehr lange dauern«, sagte Speers, »die Kleider waren in der Grube, fertig. Diese Stadt passt auf sich selber auf.«
»Und wer passt auf Sie auf?«, sagte McCrink, »ich hab Ihre Akte gesehen. Das Hotel in Bangor? Das reicht, um Sie für den Rest Ihres Lebens in der Hand zu haben. So funktioniert das.«
»Sie und McGladdery haben was gemeinsam, wissen Sie das eigentlich?«, sagte Johnston. »Sie kommen beide in Ihren schnieken Klamotten aus London angereist und führen sich groß auf. Wir haben McGladdery zu Fall gebracht, und das werden wir mit Ihnen auch machen.«
»Es reicht, Sergeant«, sagte Speers, »lassen Sie mich kurz mit dem Inspector reden.«
McCrink und Speers standen sich im Vorraum des Gerichtes dicht gegenüber.
»Warum gehen Sie nicht nach draußen und tun Ihre Bedenken, was McGladdery angeht, vor Mrs Gamble kund?«, sagte Speers. »Erinnern Sie sich, als wir zu ihr nach Hause gegangen
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