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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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Beaufort führte die Espressotasse an den Mund und trank sie mit zwei Schlucken leer.
    »Du hast aber auch schon mal begeisterter von Anne gesprochen. Habt ihr Beziehungsprobleme?«
    »So würde ich das nicht nennen, aber ein wenig kriselt es schon bei uns. Sie hat so wenig Zeit für mich. Aber für ihre Redaktion ist sie immer da.«
    Beaufort erzählte von Annes Sportambitionen und ihrem Casting fürs Fernsehen.
    »Für mich klingt das ein wenig nach gekränkter Eitelkeit«, sagte Ertl. »Du weißt ja, dass Anne und ich uns nicht so wahnsinnig mögen, aber eine gute Journalistin ist sie ganz bestimmt. Sie ist eben ehrgeizig. Und das ist halt ein Charakterzug, der dir etwas abgeht, mein Lieber.«
    »Du bist heute Abend mal wieder wahnsinnig charmant. Ich kann übrigens auch Ehrgeiz entwickeln.«
    »Ja, partiell schon. Aber eigentlich fällt dir das meiste einfach so zu. Doch gerade das lieben wir ja so an dir: deine ungeheure Leichtigkeit des Seins.« Ekki gähnte herzhaft. Er schaute auf die Uhr, es war schon nach Mitternacht.
    »Schleimst dich gerade wieder ran, was? Das wird dir aber nichts nützen. Du bist heute dran mit der Rechnung. Sollen wir langsam aufbrechen?«
    Ertl nickte und gab der Bedienung ein Zeichen, dass er zahlen wollte.
    »Ich frage mich sowieso, wie ihr eigentlich zusammenpasst. Ihr seid schon sehr unterschiedliche Charaktere. Anne ist ein Arbeitstier, du bist ein Müßiggänger. Sie ist strukturiert und geradeheraus, du ein spontaner Chaot, der so durchs Leben mäandert. Sie steht früh auf, du bist ein Langschläfer. Sie ist für meinen Geschmack ein wenig zu eckig und prosaisch, du bist charmant und eher versponnen. Anne weiß, was sie will, du lässt dich treiben. Sie ist eine selbstbewusste Karrierefrau, du ein hoffnungsloser Romantiker. Willst du noch mehr hören?«
    »Ich kenne ganz wundervolle Seiten an ihr, die du gar nicht zu Gesicht bekommst«, protestierte Beaufort. »Außerdem haben wir auch viele Gemeinsamkeiten, sonst würde es nämlich gar nicht funktionieren. Wir haben einen ähnlichen Humor, wir schätzen alles Sinnliche, wir machen gemeinsam Musik, wir gehen gern tanzen. Sie hat auch kulturell viel drauf und ist relativ belesen.« Er zögerte. »Aber im Grunde reizen mich die Unterschiede am meisten. Anne ist seit langem die erste Frau, die mir wirklich etwas entgegenzusetzen hat. Sie ist keines von diesen Mädels, die mich um meines Geldes willen anhimmeln – im Gegenteil. Annes Bewunderung musst du dir täglich neu verdienen.«
    Die Bedienung brachte die recht üppige Rechnung, und Ekki zahlte mit seiner Kreditkarte.
    Es nieselte, als sie vor den Gasthof traten, und es war kalt geworden.
    »Und was machst du morgen?«, fragte Ekki auf dem Weg zum Auto.
    »Morgen hat Anne ausnahmsweise einen freien Tag, den wir gemeinsam verbringen werden – ganz ohne Leichen. Sie geht in der Früh zum Schwimmen und kommt so gegen elf mit frischen Brötchen zu mir. Dann brunchen wir gemeinsam, gehen irgendwann eine Runde spazieren und abends in die Oper. Da freue ich mich schon drauf.«
    »Was läuft denn?« Sie stiegen in Ekkis BMW ein.
    » Lohengrin . Morgen ist Premiere.«
    Ekki verzog angewidert sein Gesicht und startete in Richtung Innenstadt. Er mochte keine Opern und Wagner schon gar nicht. Sie waren gerade losgefahren und hatten eben das Studio des Bayerischen Rundfunks passiert, als Ertls Diensthandy klingelte. Das Gespräch dauerte nur kurz. Mit versteinerter Mine klappte der Justizsprecher sein Telefon wieder zu und bog am Ring rechts ab, anstatt geradeaus weiter zu fahren.
    »Ist was passiert?«, fragte Beaufort gespannt.
    »Es gibt einen neuen Toten auf dem Reichsparteitagsgelände.«
     
    *
     
    Auf der Bayernstraße drosselte Ertl das Tempo, und die Freunde spähten nach beiden Seiten aus. Der Luitpoldhain zu ihrer Linken lag verlassen im Dunkeln. Rechts, auf dem Volksfestplatz, war auch Ruhe eingekehrt, die meisten Fahrgeschäfte und Buden hatten die Lichter gelöscht. Die Kongresshalle thronte in unheimlicher Ruhe. Aber dahinter, am Ufer des Dutzendteichs, in der Höhe des ehemaligen Strandcafé Wanner , bemerkten sie einen kleinen Menschenauflauf. Mehrere Polizeiautos, ein Krankenwagen und einige Zivilfahrzeuge parkten dort im absoluten Halteverbot am Straßenrand. Ekki stellte seine Limousine hinter einem Streifenwagen ab. Dann gingen die beiden durch den Nieselregen zu der Gruppe der Männer, die in Höhe des Tretbootverleihs standen und aufs Wasser starrten. Beaufort

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